Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)
auszublenden und ihre besondere Gabe zu erwecken. Auf der Schwelle zwischen Schlaf und Wachen ließ sie ihren Geist wandern. Sie sah in den Stein, verließ ihre enge Zelle und erkundete den Turm und den Fels, in den er gebettet war. Der kurze, gemauerte Stummel auf der Klippe im unterirdischen Meer war nur ein winziger Teil der Anlage. Glamir und seine Männer hatten sich tief in den Fels der Höhlendecke gegraben. Die Anlage war seltsam. Es schien verschiedene Schmieden und Werkstätten zu geben. Ganz sicher war sich Amalaswintha jedoch nicht. Am klarsten sah sie die Adern der verschiedenen Erze. Obwohl ihr der verwunschene Blick durch den Stein erlaubte, Hohlräume im Fels zu erkennen, blieb ihr verborgen, was in den Hohlräumen gemacht wurde. Sie sah weder die Einrichtungen, noch war es ihr möglich zu sagen, ob sich jemand oder etwas dort aufhielt. Sie erkannte nur das Metall der Werkzeuge und ihre groben Formen.
Besonders seltsam war ein recht breiter, fast eine Meile langer Tunnel, der ins Nichts führte. Amalaswintha konnte sich nicht erklären, welchen Nutzen er haben mochte. Es musste viel Kraft gekostet haben, ihn aus dem Fels zu brechen, und sie bezweifelte, dass die wenigen Männer Glamirs dieses Werk vollbracht hatten. Dieser Tunnel hatte beim Bau zusätzliche Arbeitskräfte erfordert. Sie richtete ihren Blick nach oben, durchdrang all die Gesteinsschichten, bis sie hinauf zu Geröll, Humus und Wurzeln gelangte. Der Turm war gut durchdacht angelegt. Die Rauchabzüge der Schmieden mündeten in eine große, natürliche Höhle, sodass niemand an der Oberfläche Rauch aus einem vermeintlichen Kaninchenloch im Waldboden aufsteigen sehen konnte. Es gab einen dünnen Kohleflöz, der bei den Bauarbeiten bereits entdeckt worden war und nun ausgebeutet wurde, um die Schmiede und einige Heizöfen zu versorgen. Metall war im Gestein kaum vorhan den. Ein paar Einsprengsel Eisenerz war alles, was sie entdecken konnte.
Nun wandte Amalaswintha sich den Gesteinsformationen in der Tiefe zu. Der Brunnenschacht durchstieß eine Klippe, die über einem dunklen Abgrund aufragte. Niemals hätte sie erwartet, dass der See so unglaublich tief war. Glamirs Turm erhob sich über einem Spalt, der hinab bis zum Herzen der Welt zu reichen schien. Zum ersten Mal empfand die Zwergin ein Gefühl von Beklommenheit. Ihr ganzes Leben hatte sie in Höhlen verbracht. Sie war es gewohnt zu wissen, dass sich über ihr Gebirge aus Felsgestein erhoben, viele hundert Schritt dick. Nie hatte ihr das etwas ausgemacht! Im Gegenteil, tief unter der Erde fühlte sie sich geborgen. Aber hier war es anders. Glamirs Turm schwebte über einem unterirdischen Abgrund. Das Gestein, auf dem er errichtet war, war porös. Das Wasser war tief in die Klippe eingedrungen. Sie hingen fast in der Schwebe.
Amalaswintha spürte, wie ihr Herz schneller zu schlagen begann und Panik sie zu überwältigen drohte. Die Klippe war Jahrtausende alt. Sie würde nicht abbrechen – aber wenn es geschähe, meldete sich die Stimme der Panik, dann würde das Wasser in die unteren Etagen des Turms eindringen, und sie säßen in ihrem Kerker wie Ratten in der Falle. Sie wollte aufwachen, die Trance hinter sich lassen und einfach nur die festen, feuchten Wände ihres Kerkers sehen und ihren drei verrückten Gefährten lauschen. Wollte, dass ihre Welt so klein wurde, dass die größte Sorge war, ob es klug war, ein Kind am schmutzigen Stiels eines Hammers lutschen zu lassen, als ihr Blick auf etwas am Rand des Abgrundes fiel. Etwas, was sie noch nie gesehen hatte. Es war gewaltig, fremdartig und entzog sich jeder vernünftigen Erklärung.
Und es konnte keinen Zweifel daran geben, dass dies der Grund war, warum Glamir seinen Turm auf dieser Klippe im Nirgendwo errichtet hatte.
V on Schmied zu Schmied
Galar war selbst ein wenig überrascht, dass sie ihn zu Glamir gebracht hatten. Er wusste nicht genau, was Amalaswintha den Wachen zugeflüstert hatte, aber es hatte sie so sehr überzeugt, dass sie ihn umgehend vor den verstümmelten Schmied geführt hatten.
Glamirs Kammer stank nach ungewaschenen Kleidern und schimmelnden Essensresten. Sie war erstaunlich klein und kaum weniger feucht als der Kerker, in den man sie gesperrt hatte. Auf Luxus schien der alte Zwerg keinen sonderlichen Wert zu legen.
Glamir saß in einem wuchtigen Sessel mit hoher Lehne und abgewetzten, braunen Lederpolstern. Er trug nur eine Lederhose. Das Bett hinter ihm war zerwühlt, seine Haare zerzaust, als
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