Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)
Brücken untereinander verbunden. Wäscheleinen, beflaggt mit fadenscheinigen Lumpen, zogen sich kreuz und quer durch die Häuserschluchten. Es gab turmhohe Wasserräder, die das kostbare Nass zu den hochgelegenen Terrassen hoben. Was für ein Aufwand, um Gärten wachsen zu lassen, wo es von Natur aus nur blanken Fels hätte geben sollen!
Als ihre Galeere den Hafen der Stadt erreichte, vergoldete das Licht des frühen Abends selbst die einfachen Holzhütten, die auf dunklen Stelzen vom festen Ufer über das Wasser hinausgekrochen waren. Die Seeleute holten die Segel ein und legten den Mast nieder, da sie nun durch ein Labyrinth von Brücken und Stegen fahren mussten. Auf einen Befehl des Steuermanns hin nahmen die Ruderer wieder ihre Plätze auf dem Unterdeck ein. Begleitet vom leisen Aufklatschen der Ruder glitt die Galeere langsam unter hölzernen Stegen hindurch, immer tiefer in das Labyrinth des Hafens. Plötzlich sah Bidayn eine Gruppe junger Männer in dem schmutzigen Wasser. Sie schwammen zwischen Abfällen und welken Blüten, warfen einander einen Ball aus Lumpen zu und lachten ausgelassen.
Wie war es möglich, dass Armut und verschwenderischer Reichtum Seite an Seite existierten? Warum erhoben sich die Bettler nicht? Wie hielt man all die Hungernden im Zaum, die ausgemergelten Hafenarbeiter, die sich tief unter den Lasten beugten, die sie von den Schiffen trugen, die Bettler und Krüppel, die mit ihren Holzschalen die Fahrgäste anlandender Galeeren bedrängten? Fürchteten sie sich vor den Schwertern und Speeren der Krieger, die man allenthalben sah, oder hielt sie der Traum, dass hier ein jeder mit ein wenig Glück reich werden konnte, in eiserne Fesseln geschlagen?
Bidayn legte den Kopf in den Nacken und sah in den Himmel hinauf. Ihr Blick suchte Ruhe, sehnte sich nach freier Weite und wollte dem unbeschreiblichen Gewimmel dieser vor Leben überquellenden Stadt entfliehen. Doch selbst der Himmel war nicht leer. Scharen von Möwen kreisten kreischend über den Häusern. Wolkensammler zogen träge zu Ankerplätzen weiter oben am Hang. Eine Gruppe von Kriegern in grellroten Hosen hing in Fluggeschirren unter kleineren dieser abscheulichen Ausgeburten des Himmels. Tentakel hatten sich um die Leiber der Krieger geschlun gen. Bidayn sah zähes Gallert auf Bronzepanzern schim mern, während die kleineren Wolkensammler, an Leinen gezogen, einem Himmelsschiff hinterherschwebten.
Schließlich erreichten sie eine Marmortreppe, die bis zum Wasser hinabreichte. Schmutzig grüner Schleim benetzte die untersten Stufen. Krieger in Bronzerüstungen mit langen roten Umhängen erwarteten sie. Bidayn spürte, wie Nodon sich neben ihr anspannte. Sie ahnte, dass er in Gedanken einen Kampf gegen die Wachen ausfocht und einen möglichen Fluchtweg ersann, sollte sich das hier als Falle entpuppen. Die wenigen Krieger würden sie nicht aufhalten, dachte die junge Elfe. Es war die Stadt, die ihr Angst machte. Sie war so unglaublich groß … Sie waren nur fünf, um einen Ort zu erreichen, der selbst der Göttin Nangog verwehrt blieb, und nur Nandalee wusste, was sie dort wollten. Es war, als würde eine Ameise einen Drachen herausfordern.
Das einzig Gute war, dass sie so winzig waren, dass der Drache sie nicht einmal bemerken würde. Die Stadt war so voller Menschen, dass fünf Fremde kaum auffallen würden. Die andere Seite war, dass der Drache sie aus Versehen zerquetschen könnte, ohne jemals bemerkt zu haben, dass er sich mit einer Ameise im Krieg befunden hatte.
Halteleinen wurden an goldenen Ringen in der Kaimauer festgezurrt. Die Laufplanke schlug hart auf die marmornen Treppenstufen. Die Seidene winkte ihnen. »Folgt mir in mein Stadthaus. Ihr werdet sehen, es gibt keinen sichereren und friedvolleren Ort in dieser Stadt.«
D ie Burg in den Wolken
Artax musste sich beherrschen, um sich seine Verzweiflung nicht anmerken zu lassen. Vor ihm lag die Burg auf einer Felsnadel, und es war genau so, wie der Jäger aus den Bergen gesagt hatte: Nur eine schmale, steinerne Brücke führte zu der Festungsanlage. In der Mitte jener Brücke klaffte eine Lücke, wo es zuvor einen hölzernen Steg gegeben haben musste. Es waren zwar nur fünf oder sechs Schritt, aber zu weit, um zu springen.
Die nächste Schwierigkeit war, dass es am Ende der Brücke nur ein winziges Tor ins Innere der Burg gab. Die Schwelle war so hoch, dass man darüber hinwegsteigen musste, und der Sturz der Tür so niedrig, dass jeder Eindringling sich
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