DRACHENERDE - Die Trilogie
früh müssen wir weiter. Du hast ja mit eigenen Augen gesehen, wie es steht.“ Liisho schüttelte den Kopf. Tiefe Furchen hatten sich in seine Züge gegraben, die voller Sorge waren. Die Zuversicht, die den Weisen trotz aller Widrigkeiten stets ausgezeichnet hatte, schien von ihm gewichen zu sein. Rajin glaubte, deutliche Zweifel bei ihm zu erkennen. Zweifel dran, ob die Mission, der sie beide dienten, überhaupt von Erfolg gekrönt sein konnte oder ob nicht alles am Ende vergeblich war.
Ein erwachender Urdrache und ein stürzender Mond - das waren die Mächte, die letztlich alle zunichte machen konnten, selbst wenn es gelang, die Herrschaft des Usurpators zu brechen.
„Du glaubst wirklich, dass Yyuum für das verantwortlich war, was sich im Ma-Ka-Tal ereignete?“, stellte Rajin jene Frage, die noch immer seine Gedanken beschäftigte, seit er gesehen hatte, wie die Erdglut im Fluss aufgestiegen war und dessen Wasser zum Kochen gebracht hatte.
Liisho wandte den Kopf, sodass sein Gesicht großteils vom Schatten verborgen wurde. „Es war Yyuum. Das spüre ich – und die Drachen haben es auch gespürt. Nicht nur die unseren, sondern auch die, mit denen Katagis Schergen in dieses Land eingedrungen sind. Sie scheuten, weil in jedem Drachen von Generation zu Generation eine Ahnung des Grauens weitergegeben wird, dass diese Geschöpfe einst über ihresgleichen brachten, als sie die Erde aufrissen und ihre Glut emporsteigen ließen. Sie fürchten ihre riesigen Verwandten, die unter Gestein und Geröll schlummern oder deren Geister in Blöcke aus Drachenbasalt eingeschmolzen wurden. Sie ahnen vielleicht sogar, dass es auch ihr eigenes Ende bedeuten könnte, wenn ihresgleichen wieder die Herrschaft erringt. Und doch werden sie mehr und mehr gegen ihre Herren aufbegehren.“
„Aber warum, wenn sie doch erkannt habe, dass es ihr eigener Untergang wäre?“
„Weil sie die Giganten in der Tiefe, ihre riesigen, Chaos bringenden Verwandten, noch mehr fürchten als alles andere. Das, was auf die Welt zukommt, sehe ich sehr deutlich vor mir, und einen Vorgeschmack darauf haben wir ja auch schon erhalten.“
„Dennoch …“ Rajin fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht. „Angeblich ruht Yyuum doch Hunderte von Meilen vom Ma-Ka-Fluss entfernt unter der Erde? Wie kann er auf diese Entfernung so etwas bewirken?“
Liishos Mund formte ein müde wirkendes Lächeln. „Es gibt vieles in diesem Zusammenhang, das schwer oder gar nicht zu erklären ist oder worüber weder Menschen noch Magier ausreichend Wissen besitzen, um es tatsächlich begreifen zu können. Ich selbst habe lange in alten Inschriften nach Erklärungen gesucht. In den Bergen des Dachs der Welt, unweit der Großen Nadel, gibt es in Stein gehauene Schriftreliefs. Ganze Bücher sind dort an Felswände verewigt worden, in einer Zeit, da noch niemand an den Unsichtbaren Gott glaubte. Selbst die Gesetzestafeln des Masoo erscheinen gegen diese uralten, ebenfalls vergessenen Göttern gewidmeten Schriften wie eine schnöde Briefnotiz.“
„Und in diesen alten Schriften hast du etwas über den Urdrachen gefunden, was andere nicht wissen?“, fragte Rajin hoffnungsvoll.
„Nun, dort habe ich sehr vieles gefunden“, bestätigte Liisho, „und bei einer Reise, die ich vor langer Zeit dorthin unternahm, habe ich sogar einen kleinen Teil davon abgeschrieben, um es später in Ruhe und mit Unterstützung von Gelehrten übersetzen zu können. Nur ist nichts darunter gewesen, was uns beruhigen könnte.“
„Was meinst du damit?“
„Es wird in diesen uralten Schriften immer wieder davon berichtet, wie sich Yyuum in seinem Lager unter dem mitteldrachenischen Gebirgsrücken bewegte, dass dadurch die Erde bebte und bisweilen aufbrach. Ganze Städte versanken in Schutt und Asche, wenn sich Yyuum im Schlaf rührte oder sein Glutatem über das Land strich. Was glaubst du wohl, weshalb zwischen Seng und Pa bis heute kaum jemand siedelt? Weil die Schreckensgeschichten über den sich regenden Yyuum noch lebendig sind.“
„Dann hat er sich früher häufiger gerührt?“, fragte Rajin.
„Das scheint von Zeitalter zu Zeitalter unterschiedlich gewesen zu sein. Aber es wird auch berichtet, dass Yyuums Berge erzitterten und diese Kräfte wie unterirdische Wellen durch die Erde fuhren, sodass an anderen, manchmal weit entfernten Orten Risse und Glutspalten im Boden aufbrachen oder ganze Landesteile auf einmal ruckartig herabsanken oder sich hoben. Doch es gibt einen
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