Drachenflamme: Roman (German Edition)
ihn jedoch wieder loslassen – nachdem er zum zweiten Mal selbst im Gesicht getroffen worden war –, um mit der geballten Hand zurückzuschlagen.
Er hielt sich keineswegs zurück. Eine Rauferei war zwar unschicklich und empörend, aber da sie unvermeidlich zu sein schien, war es am besten, die Sache so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. So mobilisierte er alle Kraft, die ihm eine Kindheit in der Schiffstakelage und das spätere Festhalten am Drachengeschirr beschert hatte, und hieb Agreuth die Faust direkt unter das Kinn. Der Leutnant hob einen guten Zentimeter vom Boden ab, und sein Kopf schnellte nach hinten, was ihn aus dem Gleichgewicht brachte. Er taumelte ein paar Schritte nach vorne, ehe er der Länge nach mit dem Gesicht voran zu Boden ging und dabei einige Nachbartische mit umriss, sodass mehrere Gläser neben ihm zerschellten und der Mief von billigem Rum aufstieg.
Dabei hätte man es belassen können, doch Agreuths Begleiter – obschon Offiziere und einige von ihnen älter und nüchterner als Agreuth – zeigten keinerlei Scheu, sich in den aufkommenden Tumult
zu stürzen. Die Männer an dem umgeworfenen Tisch – Matrosen eines ostindischen Handelsschiffes – waren ebenso rasch dabei, die Unterbrechung bei ihrem Saufgelage persönlich zu nehmen. Dies war ein bunt zusammengewürfelter Haufen aus Matrosen, Arbeitern und Soldaten, bei denen nur wenig zur Volltrunkenheit fehlte, und einigen wenigen Frauen, ähnlich dem, was sich in beinahe jedem anderen Gasthaus einer Hafenstadt überall auf der Welt finden ließ, wie Laurence wusste: ein Pulverfass, das nur auf ein Zündholz wartete. Der Rum war noch nicht zwischen den Steinen versickert, als sich die Männer rings um sie herum schon von ihren Stühlen erhoben hatten.
Ein anderer Offizier des Neusüdwales-Korps stürzte sich auf Laurence, und dieser Mann war größer als Agreuth, aber ebenfalls betrunken und schwerfällig vom Alkohol. Laurence wand sich aus seinem Griff, drückte den Gegner auf den Boden und schob ihn, so gut es ging, unter den Tisch. Tharkay hatte derweil mit einem Sinn fürs Praktische eine Rumflasche am Hals gepackt. Ein anderer Mann – der nicht das Geringste mit Agreuth zu tun hatte und ganz offenkundig erfreut darüber war, irgendjemanden in einen Kampf verwickeln zu können – machte einen Satz auf Tharkay zu, der ihm jedoch kurzerhand die Flasche an die Schläfe schmetterte.
Granby war in der Zwischenzeit von drei Männern gleichzeitig angegriffen worden. Zwei davon waren Agreuths Begleiter und von purer Boshaftigkeit getrieben, der dritte jedoch versuchte alles, um an das juwelenbesetzte Schwert und den Gürtel, den Granby um die Taille trug, zu gelangen. Laurence schlug dem Dieb aufs Handgelenk und packte ihn am Kragen, um ihm einen heftigen Stoß zu versetzen, der ihn rückwärts durch den Hof stolpern ließ. In diesem Augenblick schrie Granby auf, und als Laurence sich umdrehte, sah er, wie Granby sich unter einem schmutzigen, rostfleckigen Messer duckte, mit dem jemand nach seinen Augen stach.
»Bei Gott, haben Sie denn den Verstand verloren?«, schrie Laurence
und umklammerte die Hand des Mannes, der mit dem Messer herumfuchtelte. Es gelang ihm, die Klinge wegzudrücken, während Granby erfolgreich den dritten Mann niederschlug und sich umdrehte, um Laurence zu Hilfe zu kommen. Das Durcheinander wurde nun rasch völlig unübersichtlich, wozu Tharkay einiges beitrug, indem er kaltblütig die umgestürzten Stühle durch den Raum schleuderte, weitere Tische umwarf und den Gästen, die empört aufsprangen, den Fuselinhalt ihrer Gläser ins Gesicht schüttete.
Laurence, Granby und Tharkay waren nur zu dritt, doch da sie ringsum von Offizieren des Neusüdwales-Korps umgeben waren, blieb den anderen aufgebrachten Männern kein anderes Ziel als ebenjene Offiziere: ein Ziel, auf das die Strafgefangenen in ihrem Zorn ohne jede Zurückhaltung losgingen. Die Empörung hatte jedoch keine berechenbare Stoßrichtung, und nachdem der Offizier vor Laurence mit einem schweren Stuhl niedergestreckt worden war, schwang der wutentbrannte Angreifer hinter ihm seine Waffe mit gleicher Vehemenz nun gegen Laurence.
Laurence glitt auf den nassen Bodenplanken aus und wehrte den Stuhl ab, ehe er im Gesicht getroffen werden konnte. Dann richtete er sich auf und kniete in einer Pfütze. Er zog dem Mann ein Bein unter dem Körper weg, was jedoch nur dazu führte, dass der Bursche mit seinem ganzen Gewicht samt Stuhl auf
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