Drachengasse 13, Band 01: Schrecken über Bondingor (German Edition)
plötzlich stand Tomrin in einer Sackgasse direkt vor der Rückwand eines zweistöckigen Fachwerkhauses. Er hatte die Spur verloren.
„Mist !“ , fluchte er leise. Er überprüfte die Wand auf irgendwelche verborgenen Schlupflöcher, doch erfolglos. „Riesenmist !“
„Wie ich sehe, ist er dir entkommen “ , vernahm er eine Stimme in seinem Rücken.
Erschrocken wirbelte Tomrin herum.
Es war das rothaarige Mädchen, dem der Geldbeutel gestohlen worden war und das nun mit gerötetem Gesicht und zerzaustem Haar am Eingang der Gasse stand. Dunkle, feuchte Flecken zierten ihr schlichtes braunes Kleid in Kniehöhe. Vermutlich war sie beim Rennen gestolpert und auf dem mit altem Obst und Gemüse übersäten Marktplatzboden gelandet.
„Was tust du denn hier ?“ , fragte Tomrin.
Langsam kam sie näher und blickte sich dabei neugierig um. „Ich bin dir gefolgt, was denn sonst? Immerhin wurde mir das Geld geklaut, und ich bekomme Ärger, wenn ich ohne Einkäufe nach Hause zurückkehre .“
„Hm “ , brummte Tomrin. „Na, ich fürchte, dann wirst du Ärger bekommen. Der Bursche ist nämlich wie vom Erdboden verschluckt. Ich habe versucht, ihn einzuholen, aber er war zu schnell. Tut mir leid .“
Er wandte sich ab, um den Heimweg anzutreten.
Doch das Mädchen hielt ihn auf. „Warte “ , bat sie. „Vielleicht gibt es noch eine Möglichkeit, ihn aufzuspüren .“
Sie schloss kurz die Augen und runzelte die blasse Stirn, als müsste sie sich an etwas erinnern. Dann murmelte sie einige Worte in einer Sprache, die Tomrin nicht kannte. Die Finger ihrer rechten Hand bewegten sich, als spielten sie auf einer unsichtbaren Harfe.
„Was machst du ?“ , fragte er verwundert.
Das Mädchen öffnete die Augen. „Schau her … “
Auf einmal erschien mitten in der Luft ein golden glitzerndes Band aus Licht. Es fing an ihrer Hüfte an, dort, wo der Geldbeutel an ihrem Gürtel gehangen hatte, und führte die Gasse hinab. Schließlich verschwand es hinter einigen Holzfässern, die vor einer hohen Steinmauer standen.
Tomrin bemerkte, dass er vor Verblüffung den Mund weit aufgerissen hatte, und klappte ihn rasch wieder zu. „Das ist ja unglaublich !“ , staunte er.
„Das ist Magie “ , erwiderte das Mädchen mit zufriedener Miene.
Tomrin blickte sie misstrauisch an. „Du kannst zaubern? Ich dachte, Frauen zaubern nicht .“
Dem Mädchen schoss das Blut ins Gesicht. „Das war nicht ich !“ , erwiderte sie fast trotzig. „Der Geldbeutel ist verzaubert. Meine Mutter arbeitet als Köchin in der Magischen Universität, und ich helfe ihr manchmal. Darum war ich heute auf dem Markt. Den Geldbeutel hat mir der Großmagister der Magischen Universität mal geschenkt, und er hat ihn damals mit einem Findezauber belegt, damit ich ihn nicht verliere. Man muss nur ein Zauberwort sagen, und schon zeigt einem ein magischer Wegweiser, wo die Geldbörse ist .“ Das Mädchen grinste triumphierend. „Gut, nicht wahr ?“
„Ziemlich gut “ , sagte Tomrin. „Aber wieso hast du den Spruch dann nicht gleich angewandt ?“
„Auf dem Marktplatz einen Zauber auslösen ?“ Das Mädchen hob ungläubig die Augenbrauen. „Du hast vielleicht Ideen !“
Tomrin zuckte mit den Schultern. „Na schön, ich gebe zu, das hätte für etwas Aufregung gesorgt “ , gestand er. Er deutete auf die in der Luft schwebende Spur. „Wir sollten uns jetzt aber langsam an die Fersen des Zwergs heften, sonst ist er über alle Berge .“
Das Mädchen nickte. „In Ordnung. Ach, übrigens: Ich heiße Hanissa, aber meine Freunde nennen mich Nissa .“ Sie hielt Tomrin den Arm hin.
Der Junge musste grinsen, denn es war ein Gruß, wie ihn Männer austauschten, etwa Soldaten bei der Stadtgarde oder die Flussschiffer am Hafen. Er wirkte seltsam unpassend bei einem jungen Mädchen. Dennoch griff er zu und drückte kurz ihr schmales Handgelenk unter dem weiten Ärmel ihres Kleides.
„Tomrin, Sohn von Ritter Ronan Bärenherz. Freut mich, dich kennenzulernen .“
Hanissa lächelte ihn an.
Gemeinsam folgten sie dem schwach glitzernden goldenen Band des Findezaubers, gingen um die Holzfässer herum, und tatsächlich entdeckten sie ein verborgenes Loch in der Steinmauer.
Vorsichtig lugte Tomrin hindurch. Dahinter lag ein weiterer Hof. Durch einen Torbogen erreichte man eine Gasse, die in Richtung Süden verlief. Das goldene Band zog sich die Straße hinab und verschwand etwa hundert Schritte weiter um eine Ecke.
„Komm. Wir müssen uns beeilen “ ,
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