Drachengasse 13, Band 04
als habe jemand ein Fässchen Tinte in einen Eimer mit klarem Wasser geschüttet. Ein schattenhafter Kopf erschien in der wallenden Finsternis. Gewundene Hörner wuchsen aus seiner Stirn, und in den Augen des Wesens lag purer Hass.
„Achnathon“, flüsterte Sando.
„Oh, oh“, bemerkte Schüttelspeer sehr kleinlaut.
„ IHR WERDET MICH NIEMALS BEZWINGEN !“, donnerte der Dämonenfürst, der sich nun endlich zu erkennen gab. „ IHR SEID NICHTS IM VERGLEICH ZU DEN MÄNNERN, DIE MICH EINST BEKÄMPFTEN – UND SELBST SIE KONNTEN MICH NUR BANNEN UND NICHT ZERSTÖREN .“
Achnathons Augen begannen zu glühen. Bevor auch nur einer der Anwesenden handeln konnte, zuckten bläuliche Blitze daraus hervor. Vielfach verästelt peitschten sie durch den Audienzsaal, trafen die gerüsteten Soldaten und warfen sie zu Boden. Die Männer schrien schmerzerfüllt auf, manche warfen sich panisch in Deckung. Sofort herrschte heilloses Durcheinander.
Hanissa, die mit Sando ein paar Schritte zurückgetreten war, als Leben in den Spiegel kam, wurde von ihrem Freund zu Boden gerissen. Ein Blitz knallte über sie hinweg und traf Gumli in die Brust. Ächzend kippte der Zwerg nach hinten.
„Wir müssen etwas unternehmen“, schrie Sando Hanissa ins Ohr, um sich über den Lärm hinweg verständlich zu machen.
Die Decke , schoss es Hanissa durch den Kopf. Sie löste das Laken, das sie um den Bauch gewickelt mit sich getragen hatte. „Hoffen wir, dass es klappt“, sagte sie mit bebender Stimme.
„Warte, ich übernehme das“, erbot sich Sando. „Bleib du unten.“ Er nahm die Decke und hetzte los.
Zwischen den Blitzen hin und her hechtend, näherte er sich dem Spiegel. Um ihn herum zuckten und schrien die getroffenen Männer, darunter sogar der gespiegelte Feylor. Offenbar waren Achnathon Freund und Feind egal!
Hanissa sah, wie Sando unter einem Blitz hindurchrollte, dann auf die Füße sprang und sich dem Spiegel mit erhobenem Tuch entgegenwarf.
Es gab einen fürchterlichen Knall, als ein ganzes Bündel von Blitzen in ihn einschlug. Sando wurde nach hinten geschleudert. Mit der rauchenden Decke in den Händen flog er durch die Luft und war schon bewusstlos, als er auf dem Boden aufkam.
Oh, nein!, durchfuhr es Hanissa. Bitte nicht.
Einige Schritte entfernt hörte sie Tomrin wütend aufschreien. Sie blickte zu ihm hinüber und sah, wie er ausholte. Dann wirbelte sein Kurzschwert auf die Spiegeloberfläche zu. Mit einem metallischen Klirren traf die Klinge das Glas, doch sie prallte einfach davon ab und hinterließ keinen Kratzer.
Ein verzweifelter Gedanke kam Hanissa in den Sinn. Hatte Questrik etwas vergessen? Oder hatte Achnathons Macht im Lauf der Jahre, die er im Keller der Drachengasse verbracht hatte, zugenommen? Jedenfalls schien eine einfache Decke nicht die Lösung ihres Problems zu sein. Und auch eine normale Waffe schien dem Spiegel nichts anhaben zu können. Aber vielleicht half ein eher ungewöhnliches Wurfgeschoss …
Hastig öffnete sie ihre Umhängetasche und fischte mit zitternden Fingern den Ydnah heraus. Der faustgroße Kristall glühte. Hanissa wog die steinharte Kugel in ihrer Hand. Bitte, lasst es klappen , betete das Mädchen zu allen Göttern, die zuhören mochten. Dann holte sie tief Luft, biss die Zähne zusammen, schloss ihre Hand fest um den Kristall und sprang auf.
„Spiegle das hier , Achnathon!“, schrie sie und schleuderte ihm die magische Kugel mit aller Kraft entgegen.
„ NEEIIN !“, brüllte der Dämonenfürst entsetzt.
Der Ydnah leuchtete hell auf. Wie eine winzige Sonne schoss er dem Spiegel entgegen, traf die Oberfläche genau in der Mitte … und mit einem Donnerschlag, der alle im Raum zu Boden warf, explodierte der Spiegel in Tausende winzige Scherben. Aus den Augenwinkeln sah Hanissa, wie auch der falsche Feylor und der falsche Tomrin zerbarsten, als wären sie aus Glas.
Völlige Ruhe kehrte ein.
Atemlos und zitternd hob Hanissa den Blick. Dort, wo der Spiegel auf dem Thron gestanden hatte, war nicht mehr als ein rauchender Rahmen, durch den man den roten Samt der Thronlehne sehen konnte.
„Wir haben es geschafft“, flüsterte Tomrin. „Wir haben es wirklich geschafft.“
Im nächsten Moment brach Jubel im Raum aus.
Als er verklungen war, rüttelte plötzlich jemand an der Tür neben dem Thron. „He!“, war die gedämpfte Stimme Baron Beruns zu hören. „Lasst mich raus!“
„Komme“, sagte Herr Qualbringer und öffnete die Tür auf Trollweise, indem er sie
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