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Das Moskau-Komplott

Das Moskau-Komplott

Titel: Das Moskau-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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1 COURCHEVEL, FRANKREICH
    Die Invasion begann wie jedes Jahr in den letzten Dezembertagen. Sie kamen in einer Karawane gepanzerter Luxuslimousinen die gewundene Straße aus dem Rhone-Tal herauf oder landeten mit dem Hubschrauber oder Privatflugzeug auf dem tückischen Bergflughafen mit seiner kurzen Start- und Landebahn. Milliardäre und Banker, Öltycoons und Metallmagnaten, Supermodels und verwöhnte Kinder: die Geldelite des wieder erstarkenden Russlands. Sie strömten in die Suiten des Cheval Blanc und Byblos und okkupierten die großen Privatchalets an der Rue de Bellecote. Sie buchten den Club Les Caves für nächtelange Privatpartys und plünderten die Nobelboutiquen an der Croisette. Sie nahmen alle guten Skilehrer in Beschlag und kauften in den Weinhandlungen die besten Champagner und Cognacs auf. Am Morgen des Achtundzwanzigsten war in der Stadt kein Friseurtermin mehr zu bekommen, und im Chalet de Pierres, dem für sein über offener Flamme gegrilltes Rindfleisch bekannten Bergrestaurant, war bis Mitte Januar für den Abend kein Tisch mehr zu haben. Am Silvesterabend war die Invasion abgeschlossen. Courchevel, der exklusive Skiort in den französischen Alpen, war wieder fest in russischer Hand.
    Nur das Grandhotel Courchevel stemmte sich erfolgreich gegen den Ansturm aus dem Osten. Und nicht von ungefähr, wie eingefleischte Stammgäste wussten, denn im Grandhotel wurden Russen, wie auch Familien mit Kindern, diskret aufgefordert, sich woanders eine Unterkunft zu suchen. Es verfügte über dreißig Zimmer von bescheidener Größe und dezenter Ausstattung. Niemand kam wegen goldener Wasserhähne oder tennisplatzgroßer Suiten hierher. Man kam, um ein wenig altes Europa zu schnuppern. Man kam, um es sich in der Lounge Bar mit einem Campari gemütlich zu machen oder im Frühstückszimmer bei einem Kaffee in aller Ruhe
Le Monde
zu lesen. Die Herren trugen bei Tisch Jacketts und warteten bis nach dem Frühstück, ehe sie sich in ihre Skimontur warfen. Unterhaltungen wurden in gedämpftem Ton und mit ausgesuchter Höflichkeit geführt. Das Internet hatte im Grandhotel noch nicht Einzug gehalten, und die Telefone hatten ihre Macken. Die Gäste schien das nicht zu stören. Sie waren so vornehm wie das Hotel selbst und im Durchschnitt schon über das mittlere Alter hinaus. Ein Witzbold aus einem der schickeren Luxushotels im Jardin Alpin titulierte die Klientel des Grandhotels einmal als »Senioren und ihre Eltern«.
    Die kleine Lobby war sauber und mit einem gut unterhaltenen Holzfeuer beheizt. Zur Rechten, nahe dem Eingang zum Speisezimmer, war die Rezeption, eine beengte Nische mit Messinghaken für die Zimmerschlüssel und Fächern für Post und Nachrichten. Neben der Rezeption und unweit des schnaufenden - und einzigen - Lifts stand der Conciergetisch. Am frühen Nachmittag des zweiten Januar war er von Philippe besetzt, einem gut gebauten ehemaligen französischen Fallschirmjäger, der die gekreuzten goldenen Schlüssel des International Concierge Institute auf seinem makellosen Revers trug und davon träumte, dem Hotelgewerbe eines Tages endgültig den Rücken zu kehren und sich dauerhaft auf der Trüffelfarm seiner Familie im Perigord niederzulassen. Der nachdenkliche Blick seiner dunklen Augen senkte sich auf die Liste der bevorstehenden Ankünfte und Abreisen. Sie bestand nur aus einem einzigen Eintrag:
Lubin, Alex. Anreise mit dem Wagen aus Genf. Reservierung für Zimmer
237.
Skimiete erforderlich.
    Philippe richtete sein erfahrenes Conciergeauge auf den Namen. Er hatte ein feines Gespür für Namen. Das brauchte man in seinem Beruf.
Alex ... Kurzform von Alexander,
vermutete er.
Oder war es Aleksandr? Oder Aleksej?
Er schaute auf und räusperte sich diskret. Ein tadellos frisierter Kopf wurde aus der Rezeption gesteckt. Er gehörte Ricardo, dem Empfangschef am heutigen Nachmittag.
    »Ich glaube, wir haben ein Problem«, sagte Philippe ruhig.
    Ricardo runzelte die Stirn. Er war Spanier aus dem Baskenland. Er mochte Probleme nicht sonderlich. »Inwiefern?«
    Philippe hielt das Blatt mit den Ankünften hoch. »Lubin, Alex.«
    Ricardo drückte mit einem manikürten Zeigefinger ein paar Tasten seines Computers.
    »Zwölf Übernachtungen? Skimiete erforderlich? Wer hat die Reservierung entgegengenommen?«
    »Ich glaube, das war Nadine.«
    Nadine war die Neue. Sie arbeitete zurzeit in der Nachtschicht. Und für das Vergehen, einem Mann namens Alex Lubin ein Zimmer zu reservieren, ohne das vorher mit Ricardo

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