Drachenklänge
Bargen noch lebt«, wunderte sich F'nor.
»Ich habe eine Liste der Personen, die aufgrund ihrer Abstammung Ansprüche auf Burgen und Ländereien erheben können, die Fax ihnen oder ihren Vorfahren gestohlen hat«, warf Nip ein. »Oterel hat jede Menge Flüchtlinge bei sich in Tillek aufgenommen.«
»Das passt zu ihm. Dann gibt es für uns ja viel zu tun«, meinte Robinton glücklich. Jeder Burgherr sollte nur eine Burg besitzen. Diese Maxime hatte sich in der Vergangenheit bewährt. Er hoffte, die Menschen von Pern würden aus dem Desaster mit Fax lernen. »Und dann müssen wir …« Er brach ab, als er merkte, dass Fax' Leichnam bereits aus der Halle entfernt worden war.
»Ich wies ein paar Knechte an, ihn fortzuschaffen«, erklärte Nip. »Sie machen sich eine Freude daraus, ihn auf den Misthaufen zu werfen. In früheren Zeiten ließ man tote Schurken draußen liegen und wartete auf den nächsten Fädenfall. Das beschleunigte die Entsor-gung.«
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Plötzlich fing ein Baby an zu schreien.
»Wir brauchen eine Amme für den jungen Lord von
Ruatha«, erklärte Robinton.
»Es findet sich ganz bestimmt eine geeignete Frau, die das Kind nährt«, entgegnete F'nor.
F'lar kam die Treppe heruntergerannt. »Kam die
Magd hier vorbei?« fragte er aufgeregt und packte F'nor beim Arm.
»Nein. War sie wirklich der Ursprung dieser geheimnisvollen Kräfte?« wollte F'nor wissen.
»Ja.« Wilden Blickes starrte F'lar in die Runde. »Und sie entstammt der Blutslinie von Ruatha.«
Dann fing Mnementh laut an zu trompeten. Die anderen Drachen stimmten in das schrille Konzert ein.
»Mnementh hat sie gefunden«, rief F'lar. Er rannte durch das Portal hinaus auf den dunklen Burghof.
Robinton sah den riesigen Leib des Bronzedrachens.
Er hockte auf seinen mächtigen Hinterbeinen, und mit den krallenbewehrten Vordertatzen hielt er behutsam die junge Frau fest. Furchtlos blickte das Mädchen in die glühenden Facettenaugen des Drachen.
Doch Unerschrockenheit hatte die Frauen aus dem
Ruatha-Geschlecht schon immer ausgezeichnet, sagte sich Robinton. Er überließ es F'lar, mit Lessa zu reden, denn es war wichtig, dass diese beiden Menschen miteinander vertraut wurden.
Robintons leerer Magen meldete sich mit lautem
Knurren, und er nahm sich ein paar Scheiben Fleisch von der Tafel, die er mit Nip und Tuck teilte, der den Trommelturm bereits wieder verlassen hatte.
»Du hast deine Sache gut gemacht, Tuck«, lobte Robinton den Jungen und kaute an dem zähen Fleisch.
»Wo hattest du dich versteckt, Meister Robinton?«
erkundigte sich Tuck.
»Zuerst schuftete ich hier als Knecht verkleidet, ehe ich eine Soldatenuniform stibitzte«, antwortete Robin-577
ton mit einem Seufzer. »Es war harte Arbeit, das kann ich euch versichern.«
Nip und Tuck verbissen sich ein Lächeln.
Ein entsetzlicher Schrei ließ sie zusammenzucken.
Dann rannten die drei Männer auf den Burghof.
»Du darfst ihn nicht töten! Du darfst ihn nicht
töten!« kreischte Lessa.
F'lar war offensichtlich vom Wachwher zu Boden
gestoßen worden. Das Tier setzte zu einem neuerlichen Angriff auf den Drachenreiter an. Doch Mnementh holte mit seinem gewaltigen Kopf aus und traf den Wachwher in der Luft. Die Kreatur überschlug sich mehrere Male und landete dann krachend auf
den Steinen, wo sie mit gebrochenem Rückgrat liegen blieb. Noch ehe sich F'lar hochrappeln konnte, kniete Lessa neben dem Wachwher und hielt seinen absto-
ßend hässlichen Kopf in den Armen.
»Er wollte mich doch nur beschützen«, schluchzte sie. »Der Wachwher war hier mein einziger Freund.«
Robinton sah, wie F'lar tröstend die Schulter des Mädchens tätschelte. »Er war dir ein treuer Freund«, sagte er leise, während das Licht in den grün-goldenen Augen des Tieres erlosch.
Sämtliche Drachen stimmten den unheimlichen Kla—
gegesang an, den sie immer hören ließen, wenn einer ihrer Art starb.
»Sie trauern um einen Wachwher?« fragte Lessa erstaunt.
»Die Drachen erweisen jeder Kreatur die letzte Ehre, die sie für würdig erachten«, entgegnete F'lar.
Eine Weile betrachtete Lessa den hässlichen Kopf des Wachwhers. Vorsichtig legte sie ihn auf die Steinplatten und streichelte die gestutzten Schwingen.
Dann löste sie den schweren eisernen Ring, den das Tier um den Hals trug, und warf ihn in hohem Bogen fort. »Jetzt bist du frei«, wisperte sie.
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Mit geschmeidigen Bewegungen stand Lessa auf
und trat entschlossen auf Mnementh zu.
F'lar konnte sie also dazu
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