Drachenklänge
Kapitel 1
ines ist sicher«, meinte Betrice trocken, als sie das E zappelnde, kreischende Baby in das Tuch aus fei-nem Leinen wickelte, das seine Mutter eigens zu diesem Zweck gewebt hatte, »er hat deine Lungen geerbt, Petiron. Hier! Ich muss mich jetzt um Merelan kümmern.«
Sie legte das brüllende, die kleinen Fäustchen bal-lende Baby, dessen Gesicht von der Anstrengung hoch-rot angelaufen war, in die Arme seines erschrockenen Vaters.
Petiron wiegte den Säugling, so wie er es bei anderen Vätern gesehen hatte, und trug ihn ans Fenster, um seinen Erstgeborenen gründlich in Augenschein zu nehmen.
Er bemerkte die Blicke nicht, die die Hebamme und ihre Gehilfin tauschten, und er bekam auch nicht mit, wie die jüngere Frau lautlos nach draußen huschte, um eine Heilerin zu holen. Merelans Blutungen lie-
ßen sich nicht stillen. Die Hebamme vermutete einen Dammriss; das Baby war in Steißlage geboren worden und hatte einen außergewöhnlich großen Kopf.
Eilig packte sie in Tücher gewickeltes Eis um Merelans schmale Hüften. Es war eine lange, schwere Geburt gewesen. Merelan lag völlig erschöpft im Bett, das Gesicht weiß und eingefallen. Am meisten sorgte sich Betrice wegen des starken Blutverlusts. Eine Transfusion stellte ein großes Risiko dar. Obwohl Blut immer wie Blut aussah, schien es bei jedem Menschen 9
irgendwie anders zu sein. Vor langer Zeit hatten die Heiler die Unterschiede gekannt und wussten, welche Sorten von Blut sich miteinander vertrugen. Jedenfalls hatte Betrice davon gehört.
Betrice hatte geahnt, dass Merelan die Entbindung nicht leicht fallen würde, denn sie konnte die Größe und die Lage des Kindes im Mutterleib ertasten, und deshalb hatte sie in der Heilerhalle vorsorglich um Beistand ersucht. Es gab eine Lösung aus speziellen Salzen, die einem Patienten halfen, schwere Blutver-luste zu überstehen.
Betrice schaute kurz zum Fenster hinüber und
schmunzelte ein wenig über die Unbeholfenheit des frisch gebackenen Vaters. Petiron war ein ausgezeichneter Harfner und konnte auf Versammlungen stundenlang sein Instrument spielen, doch im Umgang
mit Babys musste er noch viel lernen. Er konnte von Glück sagen, dass er überhaupt einen Sohn in den Armen halten durfte, denn Merelan hatte bereits drei Fehlgeburten hinter sich. Manche Frauen waren zum Gebären geschaffen, doch Merelan gehörte nicht zu ihnen.
Merelan öffnete die flatternden Lider und dann
strahlten ihre Augen, als sie das kräftige Brüllen ihres Kindes hörte.
»Du hast es überstanden, und euer Sohn ist gesund und munter. Jetzt darfst du dich ausruhen, Sängerin Merelan«, redete Betrice beruhigend auf die junge Frau ein und streichelte ihre Wange.
»Mein Sohn …« flüsterte Merelan. Ihre sonst so melodische Stimme klang rau vor Entkräftung. Sie drehte das Gesicht in die Richtung, aus der das Kinderge-schrei ertönte, und ihre Finger zuckten auf dem bluti-gen Laken.
»Bald kannst du ihn bei dir haben. Zuerst werde ich dich waschen …«
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»Ich muss ihn in den Armen halten«, forderte Merelan matt, aber bestimmt.
»Du wirst ihn noch oft genug an dein Herz drücken, das verspreche ich dir«, erwiderte Betrice nicht ohne Strenge und wünschte sich inbrünstig, dass sie die Wahrheit sprach.
In diesem Moment traten Sirrie und die Heilerin ein.
Betrice atmete erleichtert auf, als sie Ginia sah, die eine Flasche mit einer klaren Flüssigkeit mitbrachte. Diese den Blutverlust ausgleichende Lösung konnte der jungen Mutter das Leben retten.
»Petiron, nimm dein plärrendes Balg und zeig ihn den anderen«, befahl Ginia dem nervösen Vater in barschem Ton. »Sie warten schon in der Halle und wollen ihn sich ansehen. Das Gebrüll ist ja nicht zu überhören. Und nun ab mit euch!«
Petiron machte sich nur zu gern aus dem Staub. Er hatte nach Kräften geholfen, Merelans Rücken massiert und ihr während der langen Wehen den Schweiß von der Stirn getupft; nun sehnte er sich nach einem Glas Wein, um seine Nerven zu beruhigen. Zum
Schluss hatte er um Merelans Leben gefürchtet, vor allem unmittelbar nach der Geburt, als sie wie leblos in dem blutbefleckten Bett lag. Man würde ihn nicht fortschicken, wenn seine Frau noch in Gefahr wäre, davon war er fest überzeugt. Und noch etwas wusste er mit absoluter Bestimmtheit: Nie wieder würde er Merelan einem solchen Risiko aussetzen. Er hatte ja keine Ahnung gehabt, wie gefährlich das Kinderkrie-gen war.
»Das Organ hat der Kleine von ihm!« erklärte Ginia mit
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