Drachenlanze - Der Bund der ...
Heimweg. Erst als wir ankamen,
merkte ich, daß er tot war.
Wir sind sehr traurig. Das Haus ist nicht mehr dasselbe.
Raistlin sagt, ich hätte mein Bestes getan.
Diese Nachricht hat Mutter zerstört. Oh, Kit, es war
schrecklich, es ihr sagen zu müssen. Raistlin wollte das
übernehmen.
Das ist jetzt ein paar Wochen her. Mutter ist so bleich wie
der Tod und lebt kaum noch. Raistlin ist sehr geschickt darin
geworden, ihre Schmerzen mit Tränken zu lindern.
(Ich bin ein sehr guter Schwertkämpfer geworden, und ich
wünschte, du wärst hier, damit ich mit dir ein paar Dinge
ausprobieren könnte.)
Aber sie lebt nicht mehr lange, und ich wünschte, du wärst
hier, um uns zu helfen. Wenn der Kender dich mit diesem Brief
findet, dann entschuldige ich mich, weil er so lang ist. Aber
wenn du kannst, dann wünschte ich, du würdest kommen.
Deine Brüder, Caramon und Raistlin Kit legte den Brief hin.
Ihre Beine lagen auf dem Tisch. Ihr Bierkrug blieb
unangerührt, während sie gedankenverloren: und stirnrunzelnd
dasaß.
Um die Wahrheit zu sagen, dachte Kitiara hin und wieder an
zu Hause – an das Haus, an ihre alten Freunde und Feinde dort,
an Gilon, an ihre Brüder, an Rosamund.
Der Brief war eine Ausrede für ihre Heimreise. Innerhalb
von einer Stunde hatte sie ihre Rechnung beglichen, ihr Pferd
gesattelt und es mit Geschenken und Schätzen beladen.
Die rundliche Frau, die über die Straße ging, war so
überrascht von dem Pferd, das plötzlich an ihr
vorbeigaloppierte und Matsch auf ihre saubere weiße Schürze
spritzte, daß ihr kaum Zeit blieb, den Reiter anzusehen.
Eine schlanke, durchtrainierte junge Frau mit feiner Hose
und glänzendem Brustpanzer saß im Sattel, und ihr unbändiges
schwarzes Haar wippte auf und ab. Hinter ihr flatterte ein
tiefroter Mantel.
Minna drohte der arroganten Reiterin mit der Faust und
zupfte dann ihren Haarknoten zurecht. Sie hatte Kitiara Uth
Matar nicht erkannte, und diese hatte die alte Hebamme gar
nicht bemerkt.
Im Haus Majere mischten sich Freude und Trauer. Die
Jungen begrüßten Kitiara herzlich. Jungen! Mit sechzehn
waren sie bereits junge Männer. Raistlin war groß und
schwächlich und hatte seinen üblichen Husten, doch er sah
seine Halbschwester voller Wärme an. Der kräftige Caramon
zerquetschte Kit beinahe in seinen Armen, bis sie ihm streng
befahl, sie loszulassen.
Beide bestaunten ihre Rüstung und die feine Kleidung, den
kräftigen Rotschimmel, den sie ritt, und die Pakete, die er
schleppte. Sie hatte Geld dabei, um die alten Schulden zu
begleichen, dazu einen Haufen Geschenke für die beiden.
Das glückliche Wiedersehen wurde von der Tragödie
überschattet, die sich im Inneren des Hauses abspielte, wo
Rosamund im Sterben lag. Sie sah aus wie ein Gespenst. Ihr
Kämmerchen war mit Kerzen beleuchtet, und ihre treue
Schwester Quivera saß an ihrem Bett. Quivera nickte Kit
unsicher zu, als diese schließlich eintrat.
Rosamund nahm kaum oder gar nicht wahr, daß Kit nach
Hause gekommen war.
Kit beschloß, in Gilons Bett zu schlafen, um während der
letzten Tage ihrer Mutter immer greifbar zu sein. Doch die
Tage zogen sich in die Länge, und Rosamund starb nicht. Sie
machte die Augen nicht mehr auf, sie verließ ihr Bett nicht
mehr, und ihr Atem ging in schwachen Zügen, doch sie starb
nicht.
Eines Morgens begegnete Kit unten auf dem Markt Aurelie.
Ihre alte Freundin war kerngesund, doch sie war inzwischen
verheiratet und hatte zwei kleine Kinder. Ein gutaussehender,
dicker Bauer, der ihre Einkäufe trug, musterte Kit, um dann an
Aurelie zuzerren. Das Paar lief rasch weiter. Die alten
Freundinnen hatten einander wenig zu sagen.
Einen Nachmittag ging Kit mit Caramon reiten. Der ältere
Zwilling hatte sich sehr verändert – er war nicht nur größer und
stärker, sondern auch klüger geworden. Durch Gilons Tod war
er gereift. Wenn Kit ihrem Halbbruder jetzt in die Augen sah,
mußte sie an, ihren Stiefvater denken. Wie sehr der Junge
Gilon ähnelte. Außerdem hatte Caramon die beständige
Gutmütigkeit seines Vaters geerbt.
Auch in anderer Hinsicht hatte sich Caramon verändert. Kit
bemerkte schmunzelnd, daß er sich hin und wieder spätabends
davonstahl, um sich unten am Krystallmirsee mit einem der
Dorfmädchen zu treffen.
Meistens hielt Kit nachts eine Weile mit Raistlin Wache, der
die Aufgabe übernommen hatte, sich in den dunkelsten
Stunden um Rosamund zu kümmern. Die Visionen, unter
denen Rosamund sonst gelitten hatte, ließen nach, aber sie
neigte immer noch
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