Drachenlord-Saga 01 - Der letzte Drachenlord
Geschichte, warum Linden nicht zum Tisrahn gekommen war, beendet hatte, sank Maurynna im Hinterzimmer von Almereds Geschäft erschöpft im Stuhl zusammen. Es war der erste Tag, an dem sie sich kräftig genug fühlte, um das Haus der Vanadins zu verlassen.
Es war auch an der Zeit. Sie konnte nicht länger so weitermachen, sich einerseits um Linden sorgen und andererseits wütend auf ihn sein. Hatte er überhaupt beabsichtigt, das Tisrahn zu besuchen? Die Erinnerung, daß er schwach nach Waldlilien gerochen hatte, als er in ihren Armen lag, brachte sie fast um den Verstand. Erneut drohte die finstere Stimmung der letzten Tage sie zu überwältigen, doch sie schüttelte sie ab.
»Tut mir leid, daß ich nicht eher gekommen bin, aber ich habe ständig auf Otters Rückkehr gewartet. Die anderen Drachenlords haben angeordnet, daß ich Linden nicht sehen darf. Otter hält mich zwar schriftlich auf dem laufenden, aber das ist nicht dasselbe, wie persönlich mit ihm zu reden. Seine verfluchten Berichte sind so kurz und allgemein gehalten, daß im Grunde genommen nichts drin steht. Deswegen bin ich seit fast einer Woche krank vor Sorge.
Heute morgen kam Otter für eine Weile zurück, und wir haben uns gestritten. Ich wollte ihm etwas klarmachen, und er wollte es nicht einsehen. Als ich ihn fragte, ob die Gerüchte stimmen, daß Linden im Sterben liegt, stritt er es ab, aber ich glaube, er weiß es selbst nicht genau.« Sie hieb die Fäuste auf ihre Oberschenkel. »Ich weiß nichts, und ich muß endlich erfahren, was los ist, verdammt noch mal!«
Almered nahm ihre Hände. »Ich verstehe. Das alles muß sehr schwer für dich sein. Dich und diesen Drachenlord scheint etwas Besonderes zu verbinden. Ich wünschte, ich könnte dir helfen und dich ein wenig beruhigen, aber ich weiß nicht wie«, sagte Almered. Traurig fügte er an: »Alles, was ich tun kann, ist zuzuhören.«
Sie lächelte. »Danke.«
»Das ist das mindeste, was ich für dich tun kann. Aber ich habe auch Fragen.«
Almereds Lehrling kam mit einem Tablett. Als Maurynna sah, was darauf stand, straffte sie den Oberkörper. Es waren eine Teekanne und zwei Tassen im assantikkanischen Stil, flach und ohne Griff. Man mußte sie mit den Händen umschließen, so daß die Hitze des Tees den Trinkenden sowohl von innen als auch von außen erwärmte. Alle drei Stücke waren aus dem feinen, hellblauen Porzellan, das in Almereds Heimat so kostbar war. Kunstvoll vergoldete Ziermuster unterstrichen die elegante Form. Sie war keine Expertin, aber sie glaubte, den Stil des Künstlers zu erkennen, dessen Werke den Speisentisch des assantikkanischen Kaisers schmückten. Almered hatte sein bestes Teeservice hervorgeholt, eine subtile Versicherung, daß er ihr wegen des Tisrahn tatsächlich nicht böse war.
Sie nahm die ihr dargebotene, dampfende Tasse und sog lächelnd den Duft ein. Dir zu Ehren das beste Teeservice und lieblicher Kamillentee, um sie zu beruhigen. Sie wartete, bis der Lehrling gegangen war, bevor sie von Almered wissen wollte: »Welche Fragen?«
»Ich habe abweichende Geschichten darüber gehört, was in der Nacht des Tisrahn geschehen ist, doch alle stimmen darin überein, daß die Kerle, die Linden Rathan überfallen haben, von zwei, drei oder vier Männern in die Flucht geschlagen wurden. Von Männern – nicht von jungen Frauen. Warum hört man so etwas? Man sollte annehmen, daß der Palast und die anderen Drachenlords dich auszeichnen würden, weil du ihm das Leben gerettet hast.«
»Unter anderen Umständen würden sie das vermutlich auch.«
Sie seufzte. »Aber weil sie nicht wissen, wer Linden überfallen hat, glauben die Drachenlords, daß es für Maylin und mich gefährlich werden könnte, wenn bekannt würde, daß wir beide in die Sache verwickelt sind. Zumindest stand das in einer von Otters Nachrichten. Und deswegen darf ich ihn nicht sehen. Sie glauben, jemand könnte zwei und zwei zusammenzählen.«
Nachdenklich zwirbelte Almered einen seiner langen Zöpfe um einen Finger und nickte. »Ah ja. Nun, dann bleibt die Wahrheit in diesen vier Wänden. Und ich bin froh, daß sie so vorsichtig sind. Aber es muß schwer für dich sein, was?«
»Ja«, sagte Maurynna mit bebender Stimme. »Ich möchte ihn sehen, Almered. Ich muß ihn sehen. Wieso können sie das nicht verstehen?«
Plötzlich kehlten ihre Zweifel zurück; sie sank wieder im Stuhl zusammen. War Linden – trotz Otters gegenteiliger Versicherungen – mit Lady Sherrine zusammengewesen? Wenn
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