Drachenlord-Saga 01 - Der letzte Drachenlord
Aber der Tee wird dir guttun.« Auf dem Weg nach draußen blieb sie im Türrahmen stehen. »Bist du sicher, daß man dich wieder guten Gewissens allein lassen kann?«
Maurynna massierte ihre Schläfen und fragte überrascht: »Natürlich. Wieso nicht?«
»Erinnerst du dich, wie du nach Hause gekommen bist?«
Sie mußte überlegen. »Nein«, gestand sie. »Auch nicht wie ich ins Bett gekommen bin.« Sie schaute zum Fenster. Die Vorhänge waren geschlossen, aber hinter ihnen sah sie schwaches Licht. »Es ist Morgengrauen, oder?«
Tante Elenna schüttelte den Kopf. »Nein, Rynna, es wird Abend. Das Tisrahn war gestern. Du warst halb bewußtlos, als Otter dich hergebracht hat. Dann bist du eingeschlafen und den ganzen Tag nicht aufgewacht.«
Maurynna starrte sie fassungslos an. Zum ersten Mal fiel ihr die Anspannung in Elennas Stimme auf, die Erschöpfung im Gesicht ihrer Tante. »Ich – ich verstehe nicht.«
»Ich auch nicht. Du hast im Schlaf ständig von ›goldenen Stimmern geredet. Anfangs dachte ich, du hättest dieselbe Krankheit wie Linden, aber Otter versicherte mir, das sei nicht der Fall. Was mit dir los war, oder was er glaubt, was mit dir los war, wollte er nicht sagen.«
»Wie bin ich nach Hause gekommen? Otter hat mich wohl kaum getragen. Wo ist er überhaupt? Und Maylin?« fragte Maurynna und versuchte, trotz des Pochens in ihrem Schädel nachzudenken. »Hast du etwas von Linden gehört?« Sie ballte die Fäuste und drückte sie an die Schläfen, als würde dies den Schmiedehammer zum Stillstand bringen.
»O Götter, Rynna, verzeih. Ich habe deine Kopfschmerzen vergessen. Ich kann kaum noch richtig denken, bei allem, was passiert. Wenn du und Maylin mir je wieder solche Angst einjagt, werde ich – ich hole deinen Tee«, sagte ihre Tante und eilte nach unten.
Maurynna lehnte sich an die Wand. Ihr fiel auf, daß sie in Maylins Bett lag, nicht auf der Matratze auf dem Boden. Ob Maylin inzwischen von der anderen Flußseite zurück war?
Ihre Frage wurde wenig später beantwortet. Maylin kam herein, einen Teebecher in den Händen, und schloß die Tür.
»Bevor ich irgendwelche Fragen beantworte, trinkst du das aus«, sagte Maylin. »Befehl von Mutter.«
Maurynna wußte, daß Widerspruch zwecklos war. Sie schlürfte den heißen Tee, so schnell sie konnte. Als sie fertig war, hatten sich ihre Kopfschmerzen von qualvoll auf unangenehm gebessert. »Maylin, erzähl, sonst werde ich noch verrückt. Wo hast du letzte Nacht geschlafen? Hast du Linden gesehen?«
»Ich habe in der Residenz der Drachenlords übernachtet. Und ja, ich habe Linden gesehen, als Kief Shaeldar ihn ins Haus gebracht hat. Als ich heute morgen fragte, durfte ich ihn nicht sehen. Alle wirkten sehr mitgenommen. Einmal sah ich Heilerin Tasha aus seinem Zimmer kommen, und sie schien völlig abwesend. Ich glaube, sie hat mich nicht mal bemerkt. Sie rief nach einer Schüssel heißen Wassers und ging wieder rein.«
Maurynna schloß die Augen und versuchte, nicht zu weinen, aber die Tränen kamen trotzdem. Sie suchte in ihrem Innern. Schließlich hatte sie auch vergangene Nacht irgendwie gespürt, daß Linden in Schwierigkeiten steckte. Aber sie fand keine Antworten. Es war, als stieße sie an eine verschlossene Tür. »Und wie paßt Otter in das Ganze? Und was ist mit mir los?«
»Ich sah Otter, als mich die DrachenlordEskorte nach Hause gebracht hat. Er hat nicht angehalten, sondern ritt geradewegs zu Kief Shaeldars und Tarlna Auriannes Residenz. Er sah müde aus. Und wir wissen nicht, was mit dir los ist. Otter zufolge wurdest du plötzlich krank, als ihr zu Fuß nach Hause gegangen seid. Erinnerst du dich nicht?«
»Nein.« Maurynna wischte sich die Tränen vom Gesicht. »Erzähl es mir.«
»Er sagte, er hätte dich, solange er konnte, getragen. Dann, durch die Gnade der Götter, fand er sein und Lindens Pferd. Irgendwie hat er dich auf Lindens Pferd geschnallt und dich so nach Hause gebracht. Er sagte, du hättest die ganze Zeit von seltsamen Sachen wie ›durch den Sturm fliegen‹ gefaselt.«
Maylin wurde still und studierte Maurynna, als gehörte diese einer neuen, nie zuvor gesehenen Vogelgattung an. Maurynna blinzelte unter dem durchdringenden Blick ihrer Cousine.
»Woher wußtest du, daß Linden in Schwierigkeiten war?«
Beklommen zuckte Maurynna mit den Schultern. »Ich wußte es eben. Woher, weiß ich nicht.«
Maylins Antwort war eine Überraschung. »Gut.« Mehr sagte sie nicht.
51. KAPITEL
Nachdem sie die
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