Drachenlord-Saga 02 - Drachenherz
wie Ihr hofftet, Jhanun, hätte es funktioniert. Und Ihr hättet angesichts meines Todes die Hände gerungen und Rache gegen jeden geschworen, der Euren Namen benutzt hat, und im stillen gegrinst wie der Hund, der Ihr seid.
Sie konnte sich gut vorstellen, daß Xiane behauptete, er liege im Sterben; das überraschte sie nicht. Es brauchte nur die Magenschmerzen, die man vom Verzehr von grünen Mangos bekam, und Xiane ma Jhi, durchlauchtigster Kaiser der vier Viertel der Welt und Phönixherrscher des Himmels, quäkte, man habe ihn vergiftet.
Sie hatte es zu oft miterlebt, um sich davon noch ängstigen zu lassen.
Aber ob Xiane nun starb oder nicht, es wäre ihr Tod, wenn sie sich ihm vor Ablauf ihrer Reinigungszeit näherte. Und das war es genau, was Jhanun erreichen wollte. Er hatte viel von seinem früheren Einfluß auf den Phönixherrscher verloren, seit Xiane so bezaubert von ihr war.
Hatte Jhanun den Verstand verloren, daß er glaubte, sie würde gehorchen – oder hielt er sie für dumm? Ganz gleich. Er würde es lernen. Sie würde sich von solchen Intrigen nicht hinters Licht führen lassen. Es war dumm von ihm, mir eine solche Waffe in die Hände zu geben; sollte Xiane diese Botschaft sehen, würde Jhanun seiner Strafe kein zweites Mal entgehen. Sie würde dieses Papier sicher aufbewahren, um es, wenn nötig, eines Tages zu benutzen.
Aber daß der ehemalige Kanzler des Kaisers glaubte, sie herumschikanieren zu können, als wäre sie immer noch eine einfache Konkubine – das war reine Arroganz.
Und Arroganz brauchte sie sich nicht bieten zu lassen. Nicht einmal von einem so mächtigen Mann wie Jhanun noh-sa Jhi – Jhanun, Würdenträger des zweiten Ranges der Jhi. Nicht, nachdem sie nun selbst noh – vom ersten Rang – war. Nicht, nachdem sie die Mutter des einzigen Erben des Phönixherrschers war, den sie vor nicht ganz drei Wochen zur Welt gebracht hatte.
Ihr schwarzes Haar fiel ihr über die Schultern, als sie plötzlich erschreckt den Kopf senkte. Ihre Hand krampfte sich um den Fächer neben der Botschaft.
War mit ihrem Sohn alles in Ordnung? Xahnu befand sich mit seinem Gefolge am Fuß der Korushinberge, weil man ihn dort sicherer vor den Tieflandfiebern glaubte, die in der heißen Jahreszeit so viele Kinder dahinrafften. Er sollte in Sicherheit sein. Selbst ehrgeizige Männer wie Jhanun oder die Gruppe, die er anführte, würden es nicht wagen, dem Erben des Kaisers Schaden zuzufügen – der Phönix würde sie vernichten.
Dennoch, sie wollte ihr Kind bei sich haben. Tränen traten ihr in die Augen.
Nein! Sie durfte nicht schwach werden. Sie biß die Zähne zusammen. Sie mußte vom kältesten Stahl sein – besonders, falls der Kaiser tatsächlich starb. Wenn dies geschah, würde der Thron leer stehen. Ein Thron, auf den Shei-Luin bereits Absichten hatte.
Und sie mußte Jhanun eine Lektion erteilen. Daß er glaubte, sie mit einem so durchsichtigen Trick hinters Licht führen zu können, erzürnte sie. Er mußte aus diesem Spiel, das der kaiserliche Hof darstellte, entfernt werden. Ohne ihn wären die Vier Tiger herrenlos, würden verwirrt umherhuschen wie ein Hundertfüßler, dem man den Kopf abgeschlagen hat. Sie würden mit ihren endlosen Versuchen, den willensschwachen Kaiser für sich zu gewinnen, endlich aufhören. Und was wichtiger war, sie würden aufhören, sie loswerden zu wollen.
»Murohshei!« rief sie. Ihre Stimme klang in dem geräumigen Pavillon wie eine Glocke. Sofort antwortete das Geräusch nackter Füße auf dem polierten Holzboden des Flurs, als der Eunuch ihrem Ruf nachkam.
Murohshei – Sklave der Shei. Sie fragte sich, ob er sich noch an den Namen erinnerte, den er vor so langer Zeit getragen hatte, bevor man ihn Shei-Luin schenkte, die damals noch ein Kind war.
Der Eunuch betrat das Zimmer. Er fiel vor ihr auf die Knie, drückte die Stirn auf den Boden. Sie blieb einen Augenblick lang schweigend stehen, die bleichen Hände verschränkt, und hielt den Fächer aus kunstvoll geschnitztem Sandelholz und bemalter Seide wie einen Dolch.
»Murohshei.« Ihre Stimme war klar und süß.
Der Eunuch blickte zu ihr auf.
»Murohshei, ich will den Kopf von Jhanun.«
»Favoritin des Phönixherrschers, Blüte des Westens«, sagte Murohshei. »Es soll geschehen. Wie lange es auch dauern mag, es soll geschehen.« Abermals berührte er mit der Stirn den Holzboden.
Shei-Luin lächelte. Sie stellte sich Jhanuns Kopf auf einem Speer vor ihrem Fenster vor. Das würde ihr tatsächlich
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