Drachenlord-Saga 02 - Drachenherz
er sie jetzt berühren, würde sie vermutlich Funken sprühen wie eine Katze.
»Du hast also vor, das Kaiserreich meines Sohnes zu vernichten.« Hin und her, hin und her. »Du sprichst von Katastrophen! Diese Katastrophen ereignen sich nur, weil der Mann, der auf dem Phönixthron sitzt, schwach und sündig ist. Er hält sich nicht an die Bräuche, und das ist der einzige Grund, wieso der Weg uns in die Irre geführt hat! Dieser Unsinn über die Befreiung des Phönix ist nichts weiter als … Unsinn! Wenn Xahnu erst Kaiser ist, wird es keine Katastrophen mehr geben. Jehanglan wird Kraft aus ihm schöpfen.«
Ihre Stimme bebte vor Zorn. Und noch mehr: vor Haß. Es war wie ein Messer in Yesuins Herz. Sie fuhr zu ihm herum.
»Du willst zerstören, was meinem Sohn – unserem Sohn -gehören soll«, sagte sie. Verächtlich verzog sie den Mund. »Oder bist du so zornig auf Jehanglan, daß du zusehen würdest, wie das Land in Stücke gerissen wird, nur damit deine Stammesgenossen sich auf die Überreste stürzen können wie die räudigen Schakale, die sie nun einmal sind? Beneidest du deinen Sohn so um seine Zukunft …«
Er schnitt ihr das Wort ab. »Du weißt, daß das nicht stimmt. Was sollen diese Lügen? Und was die räudigen Schakale angeht … du hast in unseren Zelten gewohnt, Shei-Luin. Du bist mit mir aufgewachsen. Du glaubst doch sicher nicht, was du da sagst.«
Wie diese Worte ihn schmerzten! Einmal hatte man ihm einen Pfeil ins Bein geschossen; die Spitze mit dem Widerhaken herauszuziehen hatte weniger weh getan als Shei-Luins bittere Anklagen. Was war aus dem kleinen Mädchen geworden, an das er sich noch erinnern konnte? Hatte der kaiserliche Hof sie so sehr korrumpiert? Bei der Mutter der Herden, hätte er in diesem Augenblick ein Pferd zwischen den Knien gehabt, wäre er davongeritten und nie wiedergekehrt – genau, wie er und Shei-Luin es sich immer erträumt hatten. Aber nun wußte er, daß sie diesen Traum nicht mehr mit ihm teilte. Und ohne sie war dieser Traum tot … Asche im Wind.
»Liebst du mich?« wollte sie plötzlich wissen.
Kannst du das denn nicht in meinem Herzen, in meinen Augen sehen? dachte Yesuin bedrückt. Früher einmal konntest du es. »Das weißt du doch«, sagte er, und sein ganzer Schmerz lag in diesen Worten. »Wie kannst du es bezweifeln?«
»Und du würdest alles für mich tun?«
Die Ehre ließ ihn schweigen. Die Frage kam nicht unerwartet, aber er konnte sie nicht so beantworten, wie Shei-Luin es wollte. Sie betrachtete ihn, wartete ab. »Dann hör auf, Xiane diesen Unsinn über die Befreiung des Phönix einzureden. Sag ihm, du und mein Vater, ihr hättet euch geirrt – bring ihn dazu, daß er dir glaubt!«
»Geliebte«, sagte er, »verlang das nicht von mir. Ich will alles für dich tun – alles, aber das nicht. Ich muß dem Weg folgen.«
Nun schwieg sie, und ihr Schweigen war so hart wie Stein und kälter als ein Eisberg. Endlich ergriff sie das Wort wieder. »Ich bin nicht deine Geliebte«, sagte sie mit einer Stimme wie Stahl. Sie legte die Hände auf den Bauch. »Sag das nie wieder zu mir. Niemals. Ich bin eine Mutter, und ich werde meine Kinder schützen – selbst vor dir, ihrem … Vater.« Sie spuckte das Wort wie einen Fluch aus. »Verschwinde. Ich will dich nie wiedersehen.«
Er wußte, daß sie das ernst meinte. Selbst als Kind hatte Shei-Luin gut hassen können. Es gab keine andere Möglichkeit; sie würde ihm nicht verzeihen.
Yesuin drehte sich um und taumelte auf die Tür des Geheimgangs zu wie ein Mann, der einen tödlichen Schlag erhalten hat, es aber noch nicht begreift. Irgendwie gelang es ihm, die Tür zu öffnen und hinter sich wieder zu schließen, obwohl er sich nicht daran erinnern konnte. Er lehnte sich voller Qual gegen die Wand des Geheimgangs. Er hatte gehört, wie die Tür zum Schlafzimmer sich geöffnet hatte, und er wußte, daß Murohshei versuchen würde, seine Herrin zu trösten.
Und wo soll ich Trost finden? dachte er verbittert, als er nach der kleinen Lampe griff und weiter durch den Tunnel ging-
Plötzlich wußte Yesuin, daß er nicht mehr im Palast bleiben konnte. Er drosch die Faust in das uralte Holz der Wand und biß sich auf die Lippen, um etwas, das ein Fluch und ein Schluchzen war, herunterzuschlucken. Er mußte noch einmal über die Ebenen reiten, oder er würde sterben.
»Verflucht«, schnaubte Lleld und hielt mit dem Bürsten ihrer dichten, roten Locken inne.
»Was ist denn?« fragte Jekkanadar vom Bett her.
Lleld
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