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Drachenmonat

Drachenmonat

Titel: Drachenmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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zwei Arten zu existieren. Die eine ist die der Tiere, die Tiere folgen ihren Instinkten. Die andere ist die der Menschen, die in ihrem Leben bewusst nach etwas suchen, dem sie sich widmen können. Sonst würde man nur existieren ohne jeden Sinn, und das wäre kein richtiges Leben.
    Im Klassenzimmer herumzusitzen war wie eine Existenz ohne Sinn. Nicht in jeder Stunde, nicht jeden Tag, aber häufig genug. Ich wusste nicht, ob das mit mir zusammenhing oder mit der Lehrerin oder den Klassenkameraden, aber ich saß oft auf meinem Platz und wünschte mich weg. Ich wusste nur nicht, wohin. Früher, bevor ich Samurai wurde, fiel mir still sitzen schwer, und in den Pausen habe ich mich häufig geprügelt. Das war jetzt vorbei. Ich saß still. Ich prügelte mich nicht mehr. Ich hörte unserer Lehrerin zu, die Frau Olsson hieß, und machte mir Notizen und konnte mich später daran erinnern. Aber ich wusste nicht, warum ich mich daran erinnern sollte. Und ich war nicht froh, während ich es hinschrieb. Vielleicht dachte ich zu oft an meine Mutter, zum Beispiel, ob sie wohl aufgestanden war, wenn ich nach Hause kam. Ob sie überhaupt zu Hause sein würde. Es lag wie ein Schatten über unserem Haus oder eine schwarze Wolke, ich sah sie schon auf dem Heimweg von der Schule. Die Sonne mochte vom Himmel scheinen, aber nicht auf unser Haus.
    »Tommy? Tommy!«
    Offenbar gab es jemanden in der Klasse, der Tommy hieß. Offenbar war das ich. Frau Olsson sah mich an.
    Sie hatte nur geschnaubt, als ich ihr gesagt hatte, dass ich nun Kenny hieß. Aber du bist doch Tommy getauft?, hatte sie gesagt. Ich hatte nicht geantwortet. Sie hätte mich ja doch nicht verstanden.
    »Tommy! Hast du gehört, was ich eben gesagt habe?«
    »Ja.«
    »Und was habe ich gesagt?-«
    »Sie haben gesagt: >Tommy! Hast du gehört, was ich eben gesagt habe?-« Einige in der Klasse lachten.
    »Still!« Frau Olsson machte einige Schritte auf mich zu. Sie war ganz rot im Gesicht. »Seid still!«
    Sie war noch nicht sehr alt. Ich verstand nicht, warum sie dauernd so wütend wirkte. Wir taten doch alles, was sie verlangte. Wie jetzt, als ich wiederholt hatte, was sie gesagt hatte.
    Inzwischen hatte sie meine Bank erreicht. »Machst du dich über mich lustig, Tommy?«
    »Nein.«
    Ich wollte nicht weggucken. Das würde ja aussehen, als würde ich nachgeben. Ich hatte mein Katana nicht bei mir, sonst hätte ich meine Hand auf den Griff legen und mir von dort Kraft holen können. Häufig reichte es, den Griff nur zu drücken. Aber Schwerter waren nicht erlaubt im Klassenzimmer und draußen auch nicht. Im Flur gab es zwar Haken an der Wand, aber die waren nicht dazu da, Schwerter daran aufzuhängen. Ich sah Frau Olsson in die Augen und sah mein eigenes Spiegelbild. Ich wirkte ganz klein.
    »Willst du witzig sein?-«, fragte sie und beugte sich über mich.
    »Nein.«
    »Du bist nicht witzig, Tommy«, sagte sie. »Das weiß ich«, antwortete ich. »Steh auf!« Ich stand auf.
    »Stell dich in die Ecke.« Sie zeigte mit dem Kopf auf die Ecke links vom Katheder. Sie sah aus wie alle anderen Ecken des Klassenzimmers, aber Frau Olsson hatte sie zu der Ecke ausersehen, in die sich jeder, der nicht tat, was sie verlangte, mit dem Rücken zur Klasse stellen musste, und dort musste er stehen bleiben, bis es zur Pause klingelte.
    »Geh dahin!«
    Ich ging in die Ecke und starrte die Wand an. Die sah aus wie immer. Ich stand hier nicht zum ersten Mal. Und jedes Mal hatte ich hier gestanden, weil ich wiederholt hatte, was sie gesagt hatte, schließlich hatte sie mich gebeten, es zu wiederholen. Mir war natürlich klar, dass ich wiederholen sollte, was sie vorher gesagt hatte, aber daran konnte ich mich nicht erinnern, weil ich in dem Moment an etwas anderes gedacht hatte, vermutlich daran, ob Mutter zu Hause sein würde oder ob sie wieder abgehauen war. Aber das wollte ich Frau Olsson nicht erzählen. Auch das würde sie nicht verstehen.
    Es war unangenehm, in der Ecke zu stehen. Ich hörte, wie Frau Olsson hinter mir auf und ab ging, als warte sie nur auf die Gelegenheit, mich mit dem Zeigestock zu schlagen. Noch war das nicht passiert, soweit ich wusste, hatte sie niemanden geschlagen, aber das wäre fast besser gewesen, als in der Ecke zu stehen, zu warten und ihren Schritten zu lauschen. Auf die Stille zu lauschen. Die Stille klang wie ein Gewitter. Keiner in der Klasse sagte etwas. Es war still, und Frau Olsson ging auf und ab. Es war verboten, sich umzudrehen. Ich war sicher, dass sie

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