Drachenruf
Duncas schrilles Geschrei. Die kleine Pensionswirtin kauerte in einer Ecke und hatte die Röcke über den Kopf geschlagen.
Menolly befahl den Braunen, ihre Sturzflüge einzustellen, sagte Tantchen Eins und Zwei sowie Onkelchen, dass sie auf dem Fenstersims bleiben sollten, und wies Rocky und Taucher einen
Platz auf dem Bettrahmen zu. Inzwischen versuchte Silvina, die Wirtin zu beruhigen.Als sich Dunca endlich dazu aufraffte, Faulpelz aus der Nähe zu betrachten - der Braune ließ sich von jedem streicheln, solange das von ihm keine Anstrengung erforderte -, hatte Menolly bereits erkannt, dass die Frau von nun an ihre unversöhnliche Feindin war. Die fette kleine Person würde es ihr nie verzeihen, dass sie ihre Blamage mit angesehen hatte. Einen Moment lang wünschte Menolly, sie wäre im Weyr geblieben, wo jeder die Feuerechsen akzeptierte.
Mit einem leisen Seufzer streichelte Menolly Prinzesschen, während Silvina der Pensionswirtin immer wieder versicherte, dass die Feuerechsen weder ihr noch ihren Schützlingen gefährlich werden konnten - dass sie im Gegenteil jeder darum beneiden würde, neun Feuerechsen zu beherbergen...
»Neun?«, quiekte Dunca erschreckt, und schon wollte sie sich wieder in ihre Ecke zurückziehen. »Neun dieser gespenstischen Biester in meinem Haus!«
»Sie sind tagsüber meist nicht da«, warfMenolly ein. »Da gehen sie ihre eigenen Wege.«
Dunca gab keine Antwort, sondern bedachte sie mit einem ängstlichen und zugleich hasserfüllten Blick.
»Wir können uns nicht länger aufhalten, Menolly. Du sollst dir eine Gitarre in der Werkstatt aussuchen«, sagte Silvina. »Wenn Sie einen frisch gefüllten Strohsack brauchen, Dunca, schicken Sie Ihre Magd zu mir.« Sie nahm Menolly am Arm und wandte sich zum Gehen. »Das Mädchen wird mehr in den Gilderäumen beschäftigt sein als Ihre übrigen Gastschülerinnen...«
»Wenn sie abends nicht zur festgesetzten Zeit heimkommt, bleibt die Tür verriegelt«, rief Dunca ihnen nach, als sie die Treppe hinunterstiegen.
»Sie ist streng mit den Mädchen«, stellte Silvina fest, als sie in die helle Mittagssonne hinaustraten und über den breiten, gepflasterten Platz gingen. »Aber das muss sie sein, bei all den jungen
Burschen, die ihren Schützlingen nachstellen. Und nimm es nicht tragisch, wenn sie über Petiron schimpft. Sie hatte gehofft, er würde sie nach Merelans Tod heiraten. Ich glaube, dass Petiron die Gildehalle nicht nur verließ, um seinem Sohn Robinton den Weg freizumachen. Er floh auch vor Duncas hartnäckiger Aufmerksamkeit.«
»Die Halbkreis-Bucht liegt aber weit weg von Fort.«
Silvina lachte. »Und so abgeschieden, dass sogar Dunca die Lust verlor, ihm dorthin zu folgen, Kind. Als ob Petiron je eine zweite Frau genommen hätte! Merelan war ungewöhnlich schön und sie hatte eine glockenreine Stimme.Wir denken alle gern an sie zurück.«
Inzwischen waren viele Leute unterwegs: Feldarbeiter kamen zum Mittagessen heim; eine Gruppe von Männern auflangbeinigen Rennern schob sich langsam durch die Menge. Ein Lehrling auf einem eiligen Botengang rempelte Menolly an und murmelte eine Entschuldigung. Prinzessin auf der Schulter des Mädchens richtete sich auf und zischte ihm empört entgegen. Mit einem erschreckten Ausruf wirbelte der Junge herum und rannte den Weg zurück, den er gekommen war.
Silvina schmunzelte. »Ich würde gern seinen Bericht hören, wenn er in die Halle zurückkehrt.«
»Silvina, ich,...«
»Kein Wort, Menolly! Ich will es nicht haben, dass du dich ständig für deine Feuerechsen entschuldigst! Auch Meister Robinton teilt meine Ansicht. Es wird immer Narren wie Dunca auf der Welt geben, die sich vor allem Neuen oder Unbekannten fürchten.« Sie hatten den Torbogen der Gildehalle betreten. »Durch diese Tür, dann die Treppe hinauf, und du stehst vor Meister Jerints Werkstatt. Er wird dir ein Instrument geben, auf dem du später Meister Domick vorspielen kannst.« Mit einem ermutigenden kleinen Schubs ließ Silvina sie allein.
KAPITEL DREI
Sprecht sanft mit meiner Echsenschar,
Ihr Zorn ist rasch entbrannt.
Und rascher noch jagen sie herbei,
Erhebt gegen mich ihr die Hand.
Menolly wäre es lieber gewesen, wenn Silvina sie zu Meister Jerint gebracht und vorgestellt hätte; aber sie erkannte schuldbewusst, dass sie die kostbare Zeit der Wirtschafterin schon über Gebühr in Anspruch genommen hatte. So unterdrückte sie ihre Nervosität und ging auf die Tür zu, die in die Werkstatt führen musste.
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