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Drachenruf

Drachenruf

Titel: Drachenruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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schlitzte sie mit dem Messer auf und als Nächstes taumelte der kleine weiße Drache ins Freie...«
    »Die Gegenüberstellung!« Piemur klatschte in die Hände. »Habe ich es dir nicht gesagt, Ranly? Man muss nur im rechten Moment am rechten Ort sein! Glück braucht man, nichts als Glück.« Piemur schien auf ein Streitgespräch anzuspielen, das er des Öfteren mit seinem Freund führte. »Manche Leute haben dieses Glück, andere wieder nicht.« Er wandte sich an Menolly: »Stimmt es, dass du die Tochter des See-Barons Yanus bist? Und dass du früher in der Halbkreis-Bucht gelebt hast?«

    »Jetzt lebe ich in der Harfnerhalle, oder?«
    Piemur hob die Schultern, als wolle er sagen: War ja nicht so gemeint!
    Menolly wandte sich wieder ihrem Essen zu. Eben als sie die letzte Soße auf ihrem Teller mit einem Stück Brot ausgetunkt hatte, ertönte ein Gong, und es wurde augenblicklich still im Saal. Ein Stuhl scharrte über die Steinfliesen und ein Geselle ganz am Ende des Raumes stand auf.
    »Eure Nachmittagspflichten sehen wie folgt aus: Gruppe 10 räumt den Lehrlingssaal auf, Gruppe 9 den Hof, Gruppe 8 die Vorratskammern. Und wenn ihr diesmal wieder nicht in den Ecken putzt, gibt es einen halben Tag Strafdienst! Gruppe 7 übernimmt die Scheunen, 6, 5 und 4 arbeiten auf den Feldern, 3 wird in die Burg abgestellt, 2 und 1 machen die Schlafsäle sauber. Alle, die sich heute Morgen krankgemeldet haben, sollen bei Meister Oldive vorsprechen. Wer ein Instrument spielt, hat sich heute Abend pünktlich einzufinden. Wir treffen uns um acht Uhr.«
    Der Mann setzte sich und an den Tischen brachen Gestöhne und unterdrücktes Schimpfen los.
    »Schon wieder den Hof kehren!«, maulte Piemur. Dann sah er Menolly an. »Hast du schon eine Gruppennummer?«
    »Nein.« Sie sah Ranlys finsteren Blick und fügte hastig hinzu: »Noch nicht.«
    »Du scheinst ein echter Glücksvogel zu sein!«
    Der Gong ertönte und alle erhoben sich.Aber während die anderen zielstrebig davoneilten, stand Menolly herum und wusste nicht recht, was sie tun sollte.
    Zwei Jungen begannen, das Geschirr abzuräumen, und Menolly wollte ihnen helfen, aber einer der beiden entriss ihr empört den Teller.
    »He, du bist doch nicht in meiner Gruppe«, rief er mit einem Anflug von Unverständnis und kehrte ihr den Rücken zu.

    Jemand klopfte ihr leicht auf die Schulter und sie fuhr herum.
    »Du bist Menolly?«, fragte ein Mann, und das klang wie ein Vorwurf. Seine Nase sprang so weit vor, dass es ihm Schwierigkeiten zu bereiten schien, daran vorbeizuschielen. Seine Züge waren missbilligend, und die bleiche Haut, eingerahmt von grauen Locken, unterstrich diesen Eindruck noch. Arroganz und Missmut schienen sein Wesen zu prägen.
    »Ja, das stimmt.«
    »Ich bin Meister Morshai und leite hier die Abteilung Musiktheorie und Komposition. Komm, Mädchen, in diesem Lärm versteht man sein eigenes Wort nicht!« Er nahm sie am Arm und führte sie aus dem Speisesaal. Die Lehrlinge huschten zur Seite und gaben eine Gasse frei, als wollten sie ihm nicht begegnen. »Der Meisterharfner hat mich um meine Meinung hinsichtlich deiner theoretischen Kenntnisse gebeten.«
    Menolly entnahm seinem Tonfall, dass der Meisterharfner gro-ßenWert auf Meister Morshals Meinung in dieser und weit wichtigeren Angelegenheiten legte. Und sie gewann den deutlichen Eindruck, dass er ihre Kenntnisse nicht allzu hoch einschätzte.
    Sie bedauerte jetzt, dass sie so herzhaft gegessen hatte, denn die Mahlzeit lag ihr wie ein schwerer Klumpen im Magen. Morshai war zweifellos voreingenommen gegen sie.
    »Ssst! Menolly!« Ein Flüstern von der Seite her zog ihre Aufmerksamkeit an. Piemur duckte sich halb hinter einen größeren Jungen, schnitt eine fürchterliche Grimasse in Richtung Meister Morshai und gab ihr dann durch heftiges Gestikulieren zu verstehen, dass er den Daumen drücken würde.
    Irgendwie ermutigte sie das. Ein lustiger kleiner Kerl war dieser Piemur mit seinem Gewirr schwarzer Locken und dem halb abgebrochenen Schneidezahn. Wie lieb von ihm, ihr die Angst zu nehmen, obwohl er selbst einer der jüngsten Lehrlinge zu sein schien.

    Als Menolly merkte, dass Meister Morshai sie in den gleichen Raum führte, in dem sie vor dem Mittagessen gespielt hatte, sandte sie ihren Echsen heimlich den Befehl zu, ganz still zu bleiben oder sich auf ein sonniges Dach zurückzuziehen, bis sie wieder Zeit hatte. So hörte sie nicht ein einziges Rascheln oder Zirpen, als sie mit Morshai eintrat. Entschlossen setzte

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