Dracula, my love
Jonathans erstaunten Ausruf, als er aufwachte und hochfuhr. Ich wandte mich instinktiv zu ihm um und wollte ihn trösten; doch dann sah ich das Blut, das die Brust und Ärmel meines weißen Nachthemdes rot gefärbt hatte, zog erschrocken die Hände zurück.
„Um Gottes willen, was bedeutet das?“, rief Jonathan. „Dr. Seward, Dr. van Helsing, was ist? Was ist geschehen? Was hat man dir angetan? Mina, Liebste, was ist mit dir? Was hat das Blut zu bedeuten?“
„Es tut mir so leid, mein Freund“, erwiderte Dr. van Helsing in verzweifeltem Ton. „Unser gefürchteter Feind ist gekommen und wieder verschwunden, hat sich inzwischen von unserer armen Frau Mina genommen, was er wollte.“
„Mein Gott, mein Gott! Ist es wirklich so weit gekommen?“, schrie Jonathan entsetzt auf.
„Und ich fürchte, es war nicht das erste Mal“, fuhr Dr. van Helsing bekümmert fort. „Ich fürchte, er ist schon vorher einmal im Schlaf über sie hergefallen.“
„Woher wissen Sie das?“, verlangte Jonathan zu wissen.
„Herr Renfield hat es uns mitgeteilt“, antwortete Dr. Seward. „Renfield hat ihn ins Haus gebeten und uns gerade gewarnt, dass Ihre Frau in Gefahr sei. Was für Toren wir waren, sie schutzlos hier zurückzulassen! Nur Herr Renfield hat bemerkt, wie blass Ihre Frau war, und er hat die schreckliche Wahrheit dahinter erraten. Er hat teuer dafür bezahlen müssen.“
Verwirrt und entsetzt begriff ich nun, dass mein Geheimnis sicher war. Die Schuldgefühle, die die Männer verspürten, weil sie mich schutzlos im Haus allein gelassen hatten, machten sie blind für mein eigenes Vergehen. Gleichzeitig gingen mir die letzten Worte im Kopf herum, die Dr. van Helsing gesprochen hatte: Er hat teuer dafür bezahlen müssen. Ehe ich fragen konnte, was das zu bedeuten hatte, stieß Jonathan einen Schreckensschrei aus, sprang aus dem Bett und fuhr in seine Kleider. „Gott steh uns bei! Dr. van Helsing, wenn Ihnen Mina lieb ist, tun Sie etwas, um sie zu retten. Es kann doch noch nicht zu spät sein. Bewachen Sie meine Mina, während ich mich auf die Suche nach ihm mache!“
Außer mir vor Sorge, dass Jonathan in seinem Zorn Dracula finden und töten könnte, viel wahrscheinlicher noch bei dem Versuch selbst umkommen könnte, packte ich ihn am Arm und schrie: „Nein! Nein, Jonathan, du darfst mich nicht verlassen. Ich könnte es nicht ertragen, wenn er dir etwas antäte.“ Ich zog ihn neben mich aufs Bett und begann aufs Neue zu schluchzen.
„Beruhigen Sie sich, Herr Harker. Und ängstigen Sie sich nicht, meine liebe Frau Mina“, sagte Dr. van Helsing, während er vor uns in die Hocke ging und sein kleines goldenes Kruzifix in die Höhe hielt. „Wir sind da. Während dieses Kreuz in Ihrer Nähe ist, kann sich Ihnen kein Übel nähern. Für diese Nacht sind Sie in Sicherheit.“
Während ich versuchte, meine Gefühle wieder zu beherrschen, erklärte Dr. Seward Jonathan leise, was er beim Eintreten in unser Zimmer gesehen hatte. Wenige Minuten später kehrten Herr Morris und Lord Godalming zurück und berichteten, sie hätten keine weiteren Spuren des Eindringlings gefunden, aber eine Fledermaus gesehen, die nach Westen flatterte.
„Wir haben in Renfields Zimmer geschaut“, fügte Lord Godalming hinzu. „Der arme Kerl ist tot.“
„Tot?“, rief ich aus. „Herr Renfield? Wie konnte das geschehen?“
„Der Graf hat ihn in seinem Zimmer brutal überfallen“, erwiderte Dr. Seward wütend.
Ich sprang entsetzt auf. „Woher wissen Sie, dass es Dracula war, der ihn überfallen hat?“
„Renfield hat uns alles berichtet, während er im Sterben lag, und uns dringlich angefleht, uns gut um Sie zu kümmern“, antwortete Dr. Seward. „Dieses Ungeheuer hat ihn zerschmettert und verstümmelt in einer Blutlache zurückgelassen. Wir haben versucht, ihm zu helfen, aber er war nicht mehr zu retten.“
„Ich möchte ihn sehen“, rief ich und war schon auf dem Weg zur Tür. Doch Lord Godalming stellte sich mir entgegen und sagte: „Nein, Frau Harker. Das ist kein Anblick für eine Dame.“
Ich schüttelte benommen und bestürzt den Kopf. Wie konnte Dracula kaltblütig einen Mann ermordet haben - nur wenige Augenblicke, ehe er mich in die Arme schloss? Und doch erinnerte ich mich, wie wütend und zerstreut er mir zunächst beim Eintritt in mein Zimmer vorgekommen war. War es möglich ...?
„Diese grausame, unmenschliche Tat überrascht mich nicht“, meinte Dr. van Helsing. „Mein Freund von der Universität
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