Dracula, my love
Möglichkeit, wie Sie diesem schrecklichen Schicksal entgehen können.“
„Welche, Professor?“, fragte ich tränenüberströmt.
„Wenn dieses andere Wesen, das Ihr Leben so besudelt hat, vernichtet ist, dann werden Sie nicht wie er.“
„Wirklich?“, fragte Jonathan mit hoffnungsvollem Blick.
„Ja“, versicherte ihm Dr. van Helsing. „Und eines gelobe ich Ihnen, Frau Mina: Wir werden dieses Ungeheuer niederstrecken, während Sie noch am Leben sind. Und damit werden wir Sie befreien.“
Mit einem erleichterten Aufschrei drückte mich Jonathan an sich.
Gott, dachte ich, während ich meine Tränen trocknete. Mach, dass sie Dracula finden und töten, wenn sie können. Mach, dass sie mich von diesem schrecklichen Fluch befreien! Stumm betete ich: Lieber Gott, gewähre mir einen Neuanfang! Ich werde meinem Ehemann treu sein. Nie wieder werde ich vom Pfad der Tugend abweichen.
Dr. van Helsing fuhr fort: „Sie haben, Gott weiß, schon genug durchgemacht, Frau Mina, und ich möchte Ihnen nicht noch mehr Schmerzen bereiten. Aber wir müssen alles wissen. Erzählen Sie uns bitte ganz genau, was heute Nacht geschehen ist?“
Und so berichtete ich es ihnen.
Ich wagte natürlich nicht, ihnen zu entdecken, was sich wirklich zugetragen hatte. Nein, davon konnte ich kein Sterbenswörtchen verraten!
In meinem Zorn und Schrecken erfand ich eine furchtbare Lügengeschichte, in der ich mich als unschuldiges und verfolgtes Opfer darstellte und, wie sie es alle erwarteten und ich es nun auch erkannt hatte, den Grafen Dracula als Ungeheuer.
Seine Ankunft in meinem Zimmer beschrieb ich, wie sie in der ersten Nacht gewesen war, als er aus den Nebelschwaden getreten war.
Ich berichtete ihnen, dass ich starr vor Furcht gewesen sei. Dass Dracula mir gedroht hatte, Jonathans Schädel vor meinen Augen zu zerschmettern, wenn ich nur den geringsten Laut von mir gäbe.
Ich erzählte ihnen, dass er mein Blut gesaugt und triumphierend verkündet hatte, dass er die Bemühungen der Männer, seine Pläne zu durchkreuzen, lächerlich gemacht hätte. Und dass er gedroht hatte, mich dafür zu bestrafen, wenn ich ihnen bei ihren Unternehmungen hülfe. Anschließend, behauptete ich, hätte er mich gezwungen, sein Blut zu trinken oder zu ersticken.
Die Männer lauschten meinem Lügenmärchen stumm, mit weit aufgerissenen Augen und zunehmendem Zorn. Als ich zum Ende gekommen war, begann der Himmel sich bereits im Osten zu röten.
„Mein Gott!“, rief ich verzweifelt und verloren, „was habe ich getan? Womit habe ich dieses Schicksal verdient?“ Aber im Grunde meines Herzens wusste ich genau, was ich getan hatte: Ich hatte mich entgegen jeglicher Moral und jeglichen Anstands willentlich dem Feinde hingegeben.
„Ich werde dieses Untier vom Angesicht der Erde tilgen und geradewegs zurück in die Hölle schicken!“, stieß Jonathan zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch hervor.
„Heute soll es geschehen“, gelobte Dr. van Helsing feierlich.
Jonathan umarmte mich noch einmal und beteuerte mit angsterfüllter Stimme: „Verzweifle nicht, Liebste. Wir müssen darauf vertrauen, dass Gott uns weiterhin hilft, bis zum Ende.“
„Aber was für ein Ende wird es sein?“, flüsterte ich.
„Ich weiß es nicht. Was auch immer geschieht, ich bin und bleibe dem Ehemann. Ich bin für dich da.“
Niemand ging zurück ins Bett. Die Männer einigten sich, dass ich von nun an wieder vollkommen ms Vertrauen zu ziehen sei. Nichts, auch nicht das Schmerzlichste, sollte mehr vor mir verheimlicht werden. Wir trafen uns im Studierzimmer, wo sie mir alles erklärten, was sie während ihrer Nachforschungen der vergangenen Tage herausgefunden hatten.
„Graf Dracula hat nun, soweit wir wissen, außer Carfax noch drei andere Häuser in verschiedenen Bezirken der Stadt erworben“, verkündete Dr. van Helsing zu meiner Überraschung. „Er hat diese Anwesen unter falschen Namen erworben. Einer davon ist ›Graf de Ville‹, eine schlaue Anspielung auf ›Devil‹, das englische Wort für Teufel.“
„Ein Haus liegt in Bermondsey, ein anderes in Mile End und ein drittes ganz zentral in Piccadilly“, fuhr Jonathan fort. „Er könnte auch noch weitere haben. Wir haben in der Kapelle nebenan nur neunundzwanzig von den ursprünglichen fünfzig Kisten gezählt, ehe uns eine Ratteninvasion zwang, diesen Ort zu verlassen. Wir haben Beweise dafür, dass die übrigen Kisten an seine anderen Schlupfwinkel gebracht wurden.“
„Waren die Kisten, die
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