Dracula, my love
er uns noch jahrelang an der Nase herumführen!“
„Er wird uns nicht an der Nase herumführen, mein Freund“, erwiderte Dr. van Helsing mit Bestimmtheit. „Wir finden die verbleibende Kiste, und alles wird gut. Ich versichere Ihnen, dass heute ein guter Tag war. Wir haben alle Zufluchtsstätten des Grafen für ihn unbewohnbar gemacht, alle bis auf eine. Und wir haben etwas gelernt, sehr viel sogar! Er fürchtet uns! Nun wollen wir seinen nächsten Schritt abwarten.“
In jener Nacht präparierte der Professor mein Schlafzimmer mit Knoblauch, um es „gegen jeglichen Besuch des Vampirs zu sichern“, wie er es formulierte. Er versicherte mir, ich könnte nun in Frieden schlafen. Er stellte mir eine Handglocke hin, mit der ich im Notfall läuten sollte. Als weitere Vorsichtsmaßnahme wechselten sich Lord Godalming, Herr Morris und Dr. Seward darin ab, draußen vor unserem Schlafzimmer Wache zu halten, obwohl ich beteuert hatte, das schiene mir unnötig zu sein.
Kaum hatte mein Kopf das Kissen berührt, da hörte ich bereits in meinen Gedanken Nicolae:
Meine kleine Vorstellung ist also gut angekommen?
Du hast einen hervorragenden Eindruck hinterlassen, erwiderte ich lautlos und lächelte leise.
Ich spüre, dass du lächelst. Ich wünschte, ich wäre bei dir und könnte es sehen.
Beinahe hätte ich tief aufgeseufzt. Wie funktioniert diese Verbindung zwischen uns? Kannst du meine Gedanken immer lesen oder nur, wenn ich sie in deine Richtung schicke?
Jetzt kann ich deine Gedanken jederzeit lesen, meine Liebste.
Das bestürzte mich. Wollte ich wirklich, dass ein anderer all meine Gedanken lesen konnte? Und doch ... hatte ich noch die Wahl? Warum höre ich nicht alles, was du denkst?
Es ist dir noch neu. Das braucht seine Zeit. Du hörst mich, wenn du mich hören musst, das verspreche ich dir. Jetzt muss ich fort. Ich habe noch viel zu ordnen. Du weißt, was zu tun ist?
Ja.
Bis später. Schlaf gut. Ich wecke dich, wenn die Zeit gekommen ist.
Um drei Uhr morgens rissen mich Nicolaes Gedanken aus tiefem Schlummer. Ich setzte mich im Bett auf und wischte mir den Schlaf aus den Augen, während ich versuchte, mich zu erinnern, was nun zu tun wäre. Mit erwartungsvoll pochendem Herzen berührte ich meinen Mann an der Schulter und flüsterte ihm ins Ohr: „Jonathan, wach auf.“
„Was ist los?“ Er richtete sich verschlafen, aber erschreckt auf. „Ist etwas geschehen?“
„Nein. Rufe den Professor. Ich möchte ihn sofort sehen. Mir ist ein Gedanke gekommen.“
Jonathan übermittelte die Botschaft an Dr. Seward, der vor unserer Tür Wache hielt. Wenige Minuten später erschien der Professor mit der versammelten, in Morgenmäntel gehüllten Gesellschaft. Die Männer warteten voller Neugierde an der Tür, während der Professor eintrat und fragte: „Was kann ich für Sie tun, Frau Mina?“
„Sie haben doch gesagt, dass ich eine geistige Verbindung zum Grafen Dracula habe. Könnten wir überprüfen, ob das stimmt? Ich möchte Sie bitten, mich zu hypnotisieren.“
18
„Dich zu hypnotisieren?“, wiederholte Jonathan besorgt.
„Ja. Vielleicht kann ich euch helfen, indem ich etwas über Draculas Aufenthaltsort herausfinde.“
Dr. van Helsings Züge hellten sich auf. „Hervorragend, Frau Mina. Hervorragend.“ Er deutete Jonathan und den anderen mit einer Handbewegung an, sie sollten draußen bleiben, und forderte mich auf, mich auf die Bettkante zu setzen. Ohne ein weiteres Wort starrte er mich unverwandt an und begann, seine Hände langsam vor meinen Augen hin und her zu bewegen. Er sah so komisch aus, wie er da in seinem violetten Satinmorgenmantel vor mir stand und mit den Händen wedelte, dass ich vor Lachen kaum an mich halten konnte. Doch dann erinnerte ich mich daran, welche ernste Aufgabe ich zu erfüllen hatte, und blickte ihn starr an, während ich auf Draculas beruhigende Gedanken in meinem Kopf lauschte. Ich schloss die Augen und saß sehr still da, gab vor, voll unter der Kontrolle des Professors zu stehen.
„Sie können jetzt die Augen öffnen, Frau Mina“, hörte ich ihn leise sagen.
Das tat ich und versuchte, so glaubwürdig wie möglich mit leerem Blick in die Ferne zu schauen. Dr. van Helsing machte den anderen Männern ein Zeichen, dass sie hereinkommen könnten. Leise versammelten sie sich am Fußende des Bettes.
„Wo sind Sie?“, fragte Dr. van Helsing mit gedämpfter Stimme.
„Das weiß ich nicht“, antwortete ich mit so träumerischer Stimme, wie ich nur konnte. „Es
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