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Dracula, my love

Dracula, my love

Titel: Dracula, my love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Syrie James
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in unserer Pension am Royal Crescent fiel mir ein, dass ich ihn gar nicht nach seinem Namen gefragt hatte.
    Den ganzen Nachmittag und Abend hindurch konnte ich nicht aufhören, an meine Begegnung mit dem Herren auf dem Friedhof zu denken, ein Vorkommnis, dessen ich mich sowohl mit Vergnügen als auch mit Schuldgefühlen erinnerte. Lucy erzählte ich kein Sterbenswörtchen davon, und dabei hatte ich Lucy doch sonst immer alles anvertraut.
    Woher kam auf einmal dieses seltsame Bedürfnis nach Geheimhaltung?, fragte ich mich, als ich an jenem Abend in der Dunkelheit in meinem Bett lag. An unserem Zusammentreffen war doch nichts Unziemliches gewesen. Warum war ich dann nicht willens, es in meinem Tagebuch festzuhalten oder mit meiner besten Freundin zu besprechen? Vielleicht, überlegte ich, lag es daran, dass mir während der Konversation mit diesem Herrn freudiger zumute war, ich mich lebendiger und intellektuell mehr angeregt gefühlt hatte als bei all den Gesprächen, die ich im Laufe der Jahre mit Jonathan geführt hatte? Das konnte ich wohl niemandem eingestehen, nicht einmal mir selbst. Derlei Gedanken und Gefühle waren unrecht, sehr unrecht, und Jonathan gegenüber völlig treulos.
    Lucy war wunderschön, und im Allgemeinen waren alle Männer so von ihr verzaubert, dass ich mir in ihrer Gegenwart oft unsichtbar vorkam. Doch unter den Blicken dieses Herren - (Oh! Warum hatte ich ihn nicht nach seinem Namen gefragt?) - hatte ich auch geglaubt, eine Schönheit zu sein. Es war lachhaft, das wusste ich. Lucy und ich, wir waren beide verlobt. Und doch wünschte ich mir irgendwie, diese Erfahrung ganz für mich zu behalten.
    Wenn Lucy und ich an den sonnenbeschienenen Klippen entlangwanderten, ertappte ich mich oft dabei, dass ich in der Menschenmenge gezielt nach dem Herrn Ausschau hielt, den ich auf dem Kirchhof getroffen hatte. Jedes Mal, wenn mein Auge auf einen hoch aufgeschossenen, gutgekleideten Herrn in Schwarz fiel, zuckte ich erwartungsvoll zusammen, nur um immer wieder enttäuscht zu werden. Wohin war er bloß verschwunden? Whitby war ein kleiner Ort, und doch war nirgends eine Spur von ihm zu sehen.
    Dann kam mir ein Gedanke: Warum um alles auf der Welt sollte ein Mann wie er, der so wohlhabend, gebildet und atemberaubend attraktiv war, auch nur einen Augenblick auf eine ehemalige Lehrerin wie mich verschwenden, die ihm mehr als deutlich zu verstehen gegeben hatte, dass sie bereits versprochen war? Sicherlich, überlegte ich, war er nur höflich gewesen, als er mich gebeten hatte, mit ihm den Spaziergang zu machen, und als er sagte, er hoffe, mich wiederzusehen.
    Das Interesse, das ich von seiner Seite zu verspüren gemeint hatte, war zweifellos nichts als eine Projektion meines eigenen Interesses gewesen. Mit einem leisen Seufzer schickte ich mich in die Erkenntnis, dass unser zufälliges Zusammentreffen eine einmalige Angelegenheit bleiben sollte. Und das war ja auch nur gut und richtig so, ermahnte ich mich streng.
    Am 10. August, zwei Tage, nachdem die Demeter auf so tragische Weise am Strand von Whitby auf Grund gelaufen war, machten Lucy und ich uns wieder auf den Weg zu unserem gewohnten Platz auf der Klippe, um uns den Leichenzug des unglückseligen Kapitäns anzusehen. Die Städter waren zu Ehren des Toten in großer Zahl erschienen. Lucy und ich betrachteten das Geschehen voller Trauer und waren beide sehr verstört über die außerordentlich seltsamen Begebenheiten, die ihm zugrunde lagen, insbesondere, nachdem ich ihr Einzelheiten aus dem höchst merkwürdigen Bericht über das russische Schiff mitteilte, den ich in der Lokalzeitung gelesen hatte.
    „In dem Artikel steht, dass die einzige Ladung an Bord der Demeter aus fünfzig großen Kisten voller Erde bestand, die am Tag der Ankunft des Schiffes von einem Agenten ausgeladen und weitergeleitet wurden“, erklärte ich ihr.
    „Was für eine ungewöhnliche Ladung!“, erwiderte Lucy. „Was könnte jemand denn mit fünfzig Kisten voller Erde anfangen wollen?“
    „Es ist wirklich sehr merkwürdig. Aber noch seltsamer und furchterregender ist die Nachschrift im Logbuch, das der Kapitän geführt hatte. Die hatte man, in einer Flasche verborgen, in der Tasche des toten Kapitäns gefunden.“
    „Was stand darin?“
    „Der Kapitän hat geschrieben, dass nach zehn Tagen auf See ein Mitglied der Mannschaft vermisst wurde. Ein fremder Mann war an Bord gesehen worden, aber man fand keinen blinden Passagier. Dann verschwanden, einer nach dem

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