Dracyr – Das Herz der Schatten
öffnet sich zu einem Schrei. Ihr Körper verkrampft sich, sie schaudert und zieht die Arme schützend vor die Brust, sie taumelt und bricht vor seinen FüÃen zusammen.
Er sieht auf sie hinab, verblüfft und starr vor Schreck. Er hat sie nicht berührt, nicht einmal richtig bedroht. Und es ist keine Angst, die sie hat in Ohnmacht fallen lassen. Er weiÃ, wie es aussieht, wenn ein Mensch vor Angst zusammenbricht, er hat es oft genug gesehen. Etwas anderes hat Kay seiner Strafe entzogen, etwas von auÃen, das er weder sehen noch hören konnte. Er kniet neben ihr nieder und fühlt nach ihrem Puls, der in ihrer Halsgrube flattert wie ein gefangener Vogel. Ihr Blick, bevor sie zusammenbrach, war nach innen gerichtet, nicht mehr auf ihn. Sie hat versucht zu schreien, er hat gesehen, wie ihre Zunge sich bewegt, die Sehnen an ihrem Hals hervortreten, aber kein Laut ist über ihre Lippen gekommen. War sie womöglich krank?
Er denkt nicht darüber nach, was er tut, als er seine Hände unter sie schiebt und sie aufhebt. Sie ist beinahe so groà wie er und wiegt dennoch nicht viel. Er hält sie in den Armen und beginnt zu zittern. Ihr Duft steigt ihm in die Nase, nach Kräutern und Ãpfeln und scharfer Seife.
Damian trägt sie zu seinem Bett und legt sie darauf, sanft, wie man ein Kind bettet. Sie ist so bleich, ihr aufgelöstes Haar schmiegt sich dunkel und üppig um ihr Gesicht und den schlanken Hals, ihr Mund steht leicht offen und lässt weiÃe Zähne sehen.
Damian kniet über ihr, ehe er sich darüber Rechenschaft ablegen kann, was er tut oder denkt. Seine Hände berühren ihre Wangen. Er hat noch nie einen Menschen gestreichelt oder zärtlich berührt und sieht gebannt seinen Fingern zu, wie sie unbeholfen und sicher zugleich die blasse Haut des Mädchens berühren. Er fühlt sich fremd im eigenen Körper. Noch nie zuvor hat er das Bedürfnis verspürt, ein Mädchen zu beschützen, sie zu besänftigen, statt zu reizen, zu ängstigen oder zu strafen. Aber Kay ist anders als alle anderen Menschen, die er kennt. Sie rührt etwas in seinem Inneren an, das ihm fremd ist, das sich weich und sanft anfühlt, wie die Stimme einer Mutter, an die er sich nicht erinnern kann.
Er sieht auf sie hinab und wünscht sich, er könnte ihr Lächeln sehen. Wünscht sich, ihr Lächeln gelte ihm, ihr Blick läge sanft und liebevoll auf seinem Gesicht, ihre Hände berührten ihn⦠nicht um ihn zu verletzen, sondern um ihn zu liebkosen.
Er schüttelt den Kopf. Kindische Gedanken. Solche Gedanken machen ihn schwach, und Schwäche verachtet er, bei sich ebenso wie bei anderen. Er beiÃt sich fest auf die Lippe, spürt den Schmerz, schmeckt das Blut. Der Schmerz bringt ihn zu sich zurück.
Ihre Bluse ist bei ihrem Kampf zerrissen, das Mieder zerfetzt vom Schlag mit der Peitsche. Er zögert. Sie ist bewusstlos und atmet unregelmäÃig und flach. Die Schnürung des Mieders behindert ihre Atmung, das kann er fühlen. Er greift nach dem Messer in seinem Gürtel und schneidet die Schnüre durch, öffnet auch ihren Rock. Sie liegt nun wie eine Frühlingsblume inmitten dunklen Winterlaubs in ihrem Unterkleid auf den Fetzen ihrer Kleider. Er sinkt auf die Fersen zurück und krallt die zitternden Hände ineinander. Was geschieht mit ihm? Hastig zerrt er die zerfetzten Kleider unter ihr hervor und schleudert sie unter das Bett, dann greift er nach der Decke, breitet sie über das ohnmächtige Mädchen. Er will sie nicht mehr sehen müssen, wie sie daliegt, wehrlos, ihm ausgeliefert.
Er will sich abwenden, aber ihre weiÃe Kehle, die Linie ihres Kinns, die weiche Rundung ihrer Wange ziehen seinen Blick an. Er beugt sich vor und presst seine Lippen an ihren Hals, trinkt ihren Duft.
Die Tür seines Gemaches springt auf und schlägt hart gegen die Wand. Schwere Schritte nähern sich, er spürt die übermächtige Gegenwart des Dracyrmeisters.
Damian richtet sich auf und stellt sich schützend vor das Bett. » Vater « , sagt er und hält dem Blick aus flirrenden Augen stand. » Ihr sucht mich hier auf? «
Wann hätte Lord Harrynkar jemals die Räume seines Sohnes betreten? Damian kann sich nicht daran erinnern.
Der Dracyrlord hält den Blick seines Sohnes gefangen. » Ich brauche dich im Pferch « , sagt er. » Der Kemmer ist reif, wir müssen dafür sorgen, dass er
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