Dracyr – Das Herz der Schatten
nach Sam. Der Pferchwächter verschwieg ihr etwas, und sie wollte wissen, was.
Aber Sam war nirgends zu finden, und Kay begriff, dass sie kostbare Zeit vergeudete. Die Neun waren zu ihrer Ãbung aufgebrochen und ganz sicher begleitete Lord Harrynkar sie dieses Mal. Sie hatte freie Hand und das musste sie nutzen!
Auf der Suche nach dem obersten Hausmädchen ordnete sie ihre Gedanken. Es bereitete ihr Mühe, ihre eigenen Erinnerungen von denen zu trennen, die Damian oder Gormydas gehörten. Einen Moment lang war sie deswegen in Sorge, aber sie wollte Damians Rat nicht folgen, sich von Gormydas zu lösen. Noch nicht. Noch brauchte sie ihn und das Gefühl der Sicherheit, das seine Anwesenheit ihr verlieh.
Sie schob alle Bedenken beiseite und konzentrierte sich auf das, was sie erfahren hatte. Damian wusste es nicht, aber er hatte ihr in seinen Gedanken den Ort verraten, an den sie der nächste Einsatz der Neun führen würde. Kay schloss die Augen und sah ihn vor sich, aus der Vogelperspektive, klein und unscheinbar. Ein Küstendorf, gelegen in einer kleinen Bucht, die auf allen Seiten von Steilküste geschützt wurde. Wahrscheinlich ein alter Piratenschlupfwinkel, jedenfalls lieà die abgeschiedene Lage des Dorfes das vermuten. Kay kannte die Küste nicht, deshalb wusste sie nicht, wo genau dieses Dorf lagâ aber das machte ihr im Moment die wenigsten Kopfschmerzen.
Sie blickte auf, als sie Schritte hörte. Es war Bertha, auf die sie hier gewartet hatte. Kay sah sie an, aber das Hausmädchen wich ihrem Blick aus und wollte wortlos an ihr vorübergehen. » Bertha « , sagte Kay und hielt sie trotz ihrer Gegenwehr am Arm fest. » Hör mir zu « , sagte Kay leise und scharf. » Es ist wichtig, es geht darum, deine Freunde zu retten! «
Bertha sah sie an, voller Misstrauen und Verachtung. » Warum sollte ich dir glauben? « , fragte sie nicht minder scharf.
Kay schüttelte den Kopf. » Es ist mir inzwischen gleich, ob du mir glaubst oder nicht « , sagte sie müde. » Wenn du mich hassen und verurteilen willst, dann ist das eben so. Aber deswegen hast du noch lange nicht das Recht, darüber zu entscheiden, ob ich meinen Bruder treffen werde oder nicht. Sag mir also, wo ich ihn finde. «
Bertha lachte, befreite sich aus Kays Griff und verschränkte die Arme. » Das werde ich ganz sicher nicht tun. Du läufst damit zu deinem Liebhaber, und was der mit Bradan anstellen wird, wissen wir beide. «
Sie funkelten sich an. Dann seufzte Kay und hob die Hände. » Es ist wirklich dringend, Bertha. Ich werde jetzt dorthin gehen, wo Bradan und ich uns das erste Mal getroffen haben. Schick ihm eine Nachricht, dass er dorthin kommen soll. Bitte. «
Bertha kniff die Lippen zusammen, aber Kay sah das unsichere Flackern in ihrem Blick. » Du wirst ihn ans Messer liefern « , sagte sie düster.
Kay hätte sie am liebsten geschüttelt. » Er ist mein Bruder! « , fauchte sie. » Was denkst du von mir? «
Bertha hielt ihrem zornigen Blick stand. » Ich denke, dass du jetzt eine von denen bist « , erwiderte sie ruhig. » Ich denke, dass ich mich getäuscht habe, als ich dich für eine Freundin hielt. Und ich denke, dass ich deinen Bruder vor dir schützen muss. «
Kay spürte den Schmerz wie ein Messer, das tief in ihr Herz stach. Sie atmete tief, damit der Schmerz verging, und sagte: » Ich werde dort sein. Sag es ihm. Meinetwegen sag ihm, dass er eine Leibwache mitbringen soll. « Urplötzlich wallte heiÃer Zorn in ihr auf. » Er ist mein Bruder! Ich habe ihn für tot gehalten! Wie kannst du glauben, dass ich ihn verraten würde? Du kennst ihn und mich doch überhaupt nicht! «
Ihr Ausbruch drang durch Berthas abwehrende Haltung. Ihre Augen weiteten sich und sie holte zischend Luft. » Ich kenne ihn besser, als du denkst « , gab sie zurück. » Wahrscheinlich sogar besser, als du ihn je kennen wirst! «
Kay brauchte einen Moment, bis sie verstand. Die Wut erlosch wie eine Kerzenflamme im Sturm. » Du bistâ ihr seid ein Paar? « , fragte sie.
Bertha wandte das Gesicht ab. » Ich werde ihm ausrichten, dass du ihn dort erwartest « , sagte sie tonlos. » Aber ich kann dir nicht versprechen, dass er auch kommt. «
Das sollte genügen. » Danke « , sagte Kay. » Wenn das alles hier vorüber ist, werden wir⦠« Sie unterbrach sich und seufzte.
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