Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dracyr – Das Herz der Schatten

Dracyr – Das Herz der Schatten

Titel: Dracyr – Das Herz der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom , Susanne
Vom Netzwerk:
geschmiegt, während er auf seinen Vater zugerannt war. Er hatte ihn nur von Kay wegziehen, seinen Griff um ihre Kehle brechen und ihn daran hindern wollen, sie zu erwürgen. Er hatte nicht vorgehabt, ihn zu töten. Der Dolch in seiner Hand hatte ihn verwirrt. Er musste ihn gezogen haben, als er von Noctyrias Rücken sprang, aber er konnte sich daran nicht erinnern.
    Aber Damian erinnerte sich daran, wie er durch das dicke Leder schnitt, durch den Stoff darunter drang und in das zuckende Fleisch. Er erinnerte sich daran, wie die Hände seines Vaters sich von Kays Hals lösten und in die Luft griffen. Wie der mächtige Körper zuckte und vornüberfiel. Der Dolch wurde ihm aus der Hand gerissen und er sah fassungslos, mit blutigen Händen, wie sein Vater zu Boden fiel und starb.
    Damian stöhnte und trank das Glas, das er randvoll geschenkt hatte, in zwei langen Zügen leer. Der Wein betäubte den Schrecken, der in seinem Geist wütete. Er hatte seinen Vater gemordet. Er war verflucht bis in alle Ewigkeit, ein lebender Leichnam, ein Geschöpf der Finsternis und Hölle. Seine Hände, seine Seele waren besudelt und nichts würde sie je wieder reinwaschen können. Das Wissen darum las er in jedem Blick, der ihn traf, jedem Gesicht, das sich hastig abwandte, wenn er sich näherte. Sie redeten hinter seinem Rücken über ihn. Ihr Flüstern verfolgte ihn bei Tag und Nacht. Vatermörder.
    Damian fasste sich. Er durfte seine Schuld nicht noch dadurch vergrößern, dass er sich weinerlich in Selbstmitleid und Ekel vor seiner Tat erging. Es war zu viel zu tun, zu viel zu bedenken. Bradan Devrillan und sein Hauptmann waren bereit, sich mit ihm um eine gemeinsame Regelung zu kümmern. Die Rebellen wollten den Kampf nicht fortführen, vorausgesetzt, Damian reichte ihnen die Hand zum Friedensschluss. Und der musste nun aufgesetzt und formuliert werden. Witwen und Waisen mussten für den Verlust entschädigt werden, der ihnen doch durch nichts gelindert werden konnte. Dörfer, von den Schattenreitern niedergebrannt, mussten wieder aufgebaut werden. Und über allem lag die dunkle Furcht, dass Paindal zurückkehren und schreckliche Rache nehmen würde. Er war weit fort, denn die lastende Dunkelheit, die ständig in Damians Bewusstsein wohnte, ihn beobachtet, ihn geleitet hatte, war gewichen. An ihre Stelle war kalte Angst getreten. Paindal würde zurückkehren, und sei es nur, um ihn, Damian, zu töten.
    Lord Harrynkars Leichnam war nach ihrer Rückkehr aufgebahrt worden, er lag in einem der Gewölbekeller und wartete auf seine Einäscherung, denn das hatte Damian angeordnet. Es erschien ihm passend, dem Dracyrlord durch Feuer eine letzte Ehre zu erweisen. Das hätte längst geschehen müssen, aber ein starker Widerwille hielt ihn davon ab, die improvisierte Gruft aufzusuchen, dem Leichnam seines Vaters ins Gesicht zu blicken und seine Leute damit zu beauftragen, ihn zu seinem Einäscherungsplatz zu bringen.
    Damian griff erneut nach der Karaffe, aber etwas hielt ihn zurück. Seit seiner Rückkehr hatte er Kay gemieden, hatte es nicht gewagt, ihr unter die Augen zu treten. Sie war sicherlich unten bei den Dracyr, und deshalb blieb er dem Pferch fern, obwohl es ihn mit Macht zu Noctyria zog.
    Sie wartete auf ihn, er spürte ihre Gegenwart wie den Zug einer Hand. Sie war traurig, noch nie war er ihr so lange ausgewichen. Zwei Wochen und vier Tage, fünf Nächte. Eine lange, kalte, einsame Ewigkeit, in der nur die düsteren Schatten ihm Gesellschaft geleistet hatten. Er fand kaum Schlaf. Wenn er die Augen schloss, sah er das blutige Gesicht mit den toten Augen. Wenn er sich an Noctyria hätte schmiegen können, hätte er schlafen können, das wusste er. Aber da war Kay, und er konnte den Gedanken nicht ertragen, in ihre Augen zu blicken und darin sein Urteil zu lesen. Vatermörder. Verräter. Gehasst und verachtet wegen seiner Treulosigkeit. Ehrlos und verflucht…
    Corena hatte ihn vor zehn Tagen aufgesucht und er hatte sie abgewiesen. Sie schien es nicht einmal schwer zu nehmen. Schnippisch und scharfzüngig, wie es ihre Art war, gab sie ihm zu verstehen, dass sie ihn für einen Schwächling und Schlappschwanz hielt, und zweifelte seine Ehre an, dann ging sie. Es hatte so ausgesehen, als wäre sie erleichtert gewesen. Nicht einmal sie wollte einem Fluchbeladenen, einem Vatermörder Gesellschaft leisten. Seine

Weitere Kostenlose Bücher