Dramatische Werke
dem Tod, gebietet der Natur
Mit Eurem mächtgen Willen, daß sie lebe!
Talbot.
Umsonst! Der Tag des Schicksals ist gekommen,
Der unsern Thron in Frankreich stürzen soll.
Vergebens in verzweiflungsvollem Kampf
Wagt ich das Letzte noch, ihn abzuwenden.
Vom Stahl dahin geschmettert lieg ich hier,
Um nicht mehr aufzustehn. – Reims ist verloren,
So eilt, Paris zu retten!
Lionel.
Paris hat sich vertragen mit dem Dauphin,
Soeben bringt ein Eilbot uns die Nachricht.
Talbot (reißt den Verband ab).
So strömet hin, ihr Bäche meines Bluts,
Denn überdrüssig bin ich dieser Sonne!
Lionel.
Ich kann nicht bleiben. – Fastolf, bringt den Feldherrn
An einen sichern Ort, wir können uns
Nicht lange mehr auf diesem Posten halten.
Die Unsern fliehen schon von allen Seiten,
Unwiderstehlich dringt das Mädchen vor –
Talbot.
Unsinn, du siegst und ich muß untergehn!
Mit der Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens.
Erhabene Vernunft, lichthelle Tochter
Des göttlichen Hauptes, weise Gründerin
Des Weltgebäudes, Führerin der Sterne,
Wer bist du denn, wenn du dem tollen Roß
Des Aberwitzes an den Schweif gebunden,
Ohnmächtig rufend, mit dem Trunkenen
Dich sehend in den Abgrund stürzen mußt!
Verflucht sei, wer sein Leben an das Große
Und Würdge wendet und bedachte Plane
Mit weisem Geist entwirft! Dem Narrenkönig
Gehört die Welt –
Lionel.
Mylord! Ihr habt nur noch
Für wenig Augenblicke Leben – denkt
An Euren Schöpfer!
Talbot.
Wären wir als Tapfre
Durch andre Tapfere besiegt, wir könnten
Uns trösten mit dem allgemeinen Schicksal,
Das immer wechselnd seine Kugel dreht –
Doch solchem groben Gaukelspiel erliegen!
War unser ernstes arbeitvolles Leben
Keines ernsthaftem Ausgangs wert?
Lionel (reicht ihm die Hand).
Mylord, fahrt wohl! Der Tränen schuldgen Zoll
Will ich Euch redlich nach der Schlacht entrichten,
Wenn ich alsdann noch übrig bin. Jetzt aber
Ruft das Geschick mich fort, das auf dem Schlachtfeld
Noch richtend sitzt und seine Lose schüttelt.
Auf Wiedersehn in einer andern Welt,
Kurz ist der Abschied für die lange Freundschaft.
(Geht ab)
Talbot.
Bald ists vorüber und der Erde geb ich,
Der ewgen Sonne die Atome wieder,
Die sich zu Schmerz und Lust in mir gefügt –
Und von dem mächtgen Talbot, der die Welt
Mit seinem Kriegsruhm füllte, bleibt nichts übrig,
Als eine Handvoll leichten Staubs. – So geht
Der Mensch zu Ende – und die einzige
Ausbeute, die wir aus dem Kampf des Lebens
Wegtragen, ist die Einsicht in das Nichts,
Und herzliche Verachtung alles dessen,
Was uns erhaben schien und wünschenswert –
Siebenter Auftritt
Karl . Burgund . Dunois . Du Chatel und Soldaten treten auf
Burgund.
Die Schanze ist erstürmt.
Dunois.
Der Tag ist unser.
Karl (Talbot bemerkend).
Seht, wer es ist, der dort vom Licht der Sonne
Den unfreiwillig schweren Abschied nimmt?
Die Rüstung zeigt mir keinen schlechten Mann,
Geht, springt ihm bei, wenn ihm noch Hülfe frommt.
(Soldaten aus des Königs Gefolge treten hinzu)
Fastolf.
Zurück! Bleibt fern! Habt Achtung vor dem Toten,
Dem ihr im Leben nie zu nahn gewünscht!
Burgund.
Was seh ich! Talbot liegt in seinem Blut!
(Er geht auf ihn zu. Talbot blickt ihn starr an und stirbt)
Fastolf.
Hinweg, Burgund! Den letzten Blick des Helden
Vergifte nicht der Anblick des Verräters!
Dunois.
Furchtbarer Talbot! Unbezwinglicher!
Nimmst du vorlieb mit so geringem Raum,
Und Frankreichs weite Erde konnte nicht
Dem Streben deines Riesengeistes gnügen.
– Erst jetzo, Sire, begrüß ich Euch als König,
Die Krone zitterte auf Eurem Haupt,
So lang ein Geist in diesem Körper lebte.
Karl (nachdem er den Toten stillschweigend betrachtet).
Ihn hat ein Höherer besiegt, nicht wir!
Er liegt auf Frankreichs Erde, wie der Held
Auf seinem Schild, den er nicht lassen wollte.
Bringt ihn hinweg!
(Soldaten heben den Leichnam auf und tragen ihn fort)
Fried sei mit seinem Staube!
Ihm soll ein ehrenvolles Denkmal werden,
Mitten in Frankreich, wo er seinen Lauf
Als Held geendet, ruhe sein Gebein!
So weit als er, drang noch kein feindlich Schwert,
Seine Grabschrift sei der Ort, wo man ihn findet.
Fastolf (gibt sein Schwert ab).
Herr, ich bin dein Gefangener.
Karl (gibt ihm sein Schwert zurück).
Nicht also!
Die fromme Pflicht ehrt auch der rohe Krieg,
Frei sollt Ihr Eurem Herrn zu Grabe folgen.
Jetzt eilt, Du Chatel – Meine Agnes zittert –
Entreißt sie ihrer Angst um uns – Bringt ihr
Die Botschaft, daß wir leben, daß wir siegten,
Und führt sie im
Weitere Kostenlose Bücher