Dramatische Werke
schweigen?
Friesshardt ruft noch lauter :
Zu Hülf, zu Hülf den Dienern des Gesetzes.
Walther Fürst :
Da ist der Vogt! Weh uns, was wird das werden!
Gessler zu Pferd, den Falken auf der Faust, Rudolf der Harras , Berta und Rudenz , ein grosses Gefolge von bewaffneten Knechten, welche einen Kreis von Piken um die ganze Szene schliessen.
Rudolf der Harras :
Platz, Platz dem Landvogt!
Gessler :
Treibt sie auseinander!
Was läuft das Volk zusammen? Wer ruft Hilfe?
Allgemeine Stille.
Wer war's? Ich will es wissen. (Zu Friesshardt:) Du tritt vor!
Wer bist du und was hältst du diesen Mann?
Er gibt den Falken einem Diener.
Friesshardt :
Gestrenger Herr, ich bin dein Waffenknecht
Und wohlbestellter Wächter bei dem Hut.
Diesen Mann ergriff ich über frischer Tat,
Wie er dem Hut den Ehrengruss versagte.
Verhaften wollt ich ihn, wie du befahlst,
Und mit Gewalt will ihn das Volk entreissen.
Gessler nach einer Pause :
Verachtest du so deinen Kaiser, Tell,
Und mich , der hier an seiner Statt gebietet,
Dass du die Ehr versagst dem Hut, den ich
Zur Prüfung des Gehorsams aufgehangen?
Dein böses Trachten hast du mir verraten.
Tell :
Verzeiht mir lieber Herr! Aus Unbedacht,
Nicht aus Verachtung Eurer ist's geschehn,
Wär ich besonnen, hiess ich nicht der Tell,
Ich bitt um Gnad, es soll nicht mehr begegnen.
Gessler nach einigem Stillschweigen :
Du bist ein Meister auf der Armbrust, Tell,
Man sagt, du nähmst es auf mit jedem Schützen?
Walther Tell :
Und das muss wahr sein, Herr – 'nen Apfel schiesst
Der Vater dir vom Baum auf hundert Schritte.
Gessler :
Ist das dein Knabe, Tell?
Tell :
Ja, lieber Herr.
Gessler :
Hast du der Kinder mehr?
Tell :
Zwei Knaben, Herr.
Gessler :
Und welcher ist's, den du am meisten liebst?
Tell :
Herr, beide sind sie mir gleich liebe Kinder.
Gessler :
Nun Tell! Weil du den Apfel triffst vom Baume
Auf hundert Schritte, so wirst du deine Kunst
Vor mir bewähren müssen – Nimm die Armbrust –
Du hast sie gleich zur Hand – und mach dich fertig,
Einen Apfel von des Knaben Kopf zu schiessen –
Doch will ich raten, ziele gut, dass du
Den Apfel treffest auf den ersten Schuss,
Denn fehlst du ihn, so ist dein Kopf verloren.
Alle geben Zeichen des Schreckens.
Tell :
Herr – Welches Ungeheure sinnet Ihr
Mir an – Ich soll vom Haupte meines Kindes –
– Nein, nein doch, lieber Herr, das kömmt Euch nicht
Zu Sinn – Verhüt's der gnäd'ge Gott – das könnt ihr
Im Ernst von einem Vater nicht begehren!
Gessler :
Du wirst den Apfel schiessen von dem Kopf
Des Knaben – Ich begehr's und will's.
Tell :
Ich soll
Mit meiner Armbrust auf das liebe Haupt
Des eignen Kindes zielen – Eher sterb' ich!
Gessler :
Du schiesst oder stirbst mit deinem Knaben.
Tell :
Ich soll der Mörder werden meines Kinds!
Herr, Ihr habt keine Kinder – wisset nicht,
Was sich bewegt in eines Vaters Herzen.
Gessler :
Ei Tell, du bist ja plötzlich so besonnen!
Man sagte mir, dass du ein Träumer seist,
Und dich entfernst von andrer Menschen Weise.
Du liebst das Seltsame – Drum hab ich jetzt
Ein eigen Wagstück für dich ausgesucht.
Ein andrer wohl bedächte sich – Du drückst
Die Augen zu, und greifst es herzhaft an.
Berta :
Scherzt nicht, o Herr! mit diesen armen Leuten!
Ihr seht sie bleich und zitternd stehn – So wenig
Sind sie Kurzweils gewohnt aus Eurem Munde.
Gessler :
Wer sagt Euch, dass ich scherze?
Greift nach einem Baumzweige, der über ihn herhängt.
Hier ist der Apfel.
Man mache Raum – Er nehme seine Weite,
Wie's Brauch ist – Achtzig Schritte geb ich ihm –
Nicht weniger, noch mehr – Er rühmte sich,
Auf ihrer hundert seinen Mann zu treffen –
Jetzt Schütze triff, und fehle nicht das Ziel!
Rudolf der Harras :
Gott, das wird ernsthaft – Falle nieder Knabe,
Es gilt, und fleh den Landvogt um dein Leben.
Walther Fürst beiseite zu Melchtal, der kaum seine Ungeduld bezwingt :
Haltet an Euch, ich fleh Euch drum, bleibt ruhig.
Berta zum Landvogt :
Lasst es genug sein Herr! Unmenschlich ist's,
Mit eines Vaters Angst also zu spielen.
Wenn dieser arme Mann auch Leib und Leben
Verwirkt durch seine leichte Schuld, bei Gott!
Er hätte jetzt zehnfachen Tod empfunden.
Entlasst ihn ungekränkt in seine Hütte,
Er hat Euch kennen lernen, dieser Stunde
Wird er und seine Kindeskinder denken.
Gessler :
Öffnet die Gasse – Frisch! Was zauderst du?
Dein Leben ist verwirkt, ich kann dich töten,
Und sieh, ich lege gnädig dein Geschick
In deine eigne kunstgeübte Hand.
Der kann nicht klagen
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