Dramatische Werke
gut! Ich bin ja ruhig – ruhig, sagt man ja, ist auch der schaudernde Strich Landes, worüber die Pest ging – ich bin's. (Nach einigem Nachdenken.) Noch eine Bitte, Luise – die letzte! Mein Kopf brennt so fieberisch. Ich brauch Kühlung – Willst du mir ein Glas Limonade zurecht machen? (Luise geht ab.)
Dritte Scene.
Ferdinand und Miller .
(Beide gehen, ohne ein Wort zu reden, einige Pausen lang auf den entgegengesetzten Seiten des Zimmers auf und ab).
Miller (bleibt endlich stehen und betrachtet den Major mit trauriger Miene).
Lieber Baron, kann es Ihren Gram vielleicht mindern, wenn ich Ihnen gestehe, daß ich Sie herzlich bedaure!
Ferdinand.
Laß Er es gut sein, Miller. (Wieder einige Schritte.) Miller, ich weiß nur kaum noch, wie ich in Sein Haus kam – Was war die Veranlassung?
Miller.
Wie, Herr Major? Sie wollten ja Lection auf der Flöte bei mir nehmen? Das wissen Sie nicht mehr?
Ferdinand (rasch).
Ich sah Seine Tochter! (Wiederum einige Pausen.) Er hat nicht Wort gehalten, Freund. Wir accordierten Ruhe für meine einsamen Stunden. Er betrog mich und verkaufte mir Skorpionen. (Da er Millers Bewegung sieht.) Nein, erschrick nur nicht, alter Mann. (Gerührt an seinem Hals.) Du bist nicht schuldig.
Miller (die Augen wischend).
Das weiß der allwissende Gott!
Ferdinand (aufs neue hin und her, in düstres Grübeln versunken).
Seltsam, o unbegreiflich seltsam spielt Gott mit uns. An dünnen unmerkbaren Seilen hängen oft fürchterliche Gewichte – Wüßte der Mensch, daß er an diesem Apfel den Tod essen sollte – Hum! – Wüßte er das? (Heftiger auf und nieder, dann Millers Hand mit starker Bewegung fassend.) Mann! Ich bezahle dir dein Bischen Flöte zu theuer — und du gewinnst nicht einmal – auch du verlierst – verlierst vielleicht Alles. (Gepreßt von ihm weggehend.) Unglückseliges Flötenspiel, das mir nie hätte einfallen sollen!
Miller (sucht seine Rührung zu verbergen).
Die Limonade bleibt auch gar zu lang außen. Ich denke, ich sehe nach, wenn Sie mir's nicht für übel nehmen –
Ferdinand.
Es eilt nicht, lieber Miller. (Vor sich hinmurmelnd.) Zumal für den Vater nicht – Bleib' Er nur – Was hatt' ich doch fragen wollen? – Ja! – Ist Luise Seine einzige Tochter? Sonst hat Er keine Kinder mehr?
Miller (warm).
Habe sonst keins mehr, Baron – wünsch' mir auch keins mehr. Das Mädel ist just so recht, mein ganzes Vaterherz einzustecken – hab' meine ganze Baarschaft von Liebe an der Tochter schon zugesetzt.
Ferdinand (heftig erschüttert).
Ha! — Seh' Er doch lieber nach dem Trank, guter Miller. (Miller ab.)
Vierte Scene.
Ferdinand allein.
Ferdinand
Das einzige Kind! – Fühlst du das, Mörder? Das einzige! Mörder! hörst du, das einzige? – Und der Mann hat auf der großen Welt Gottes nichts, als sein Instrument und das einzige – Du willst's ihm rauben?
Rauben? – rauben den letzten Nothpfenning einem Bettler? Die Krücke zerbrochen vor die Füße werfen dem Lahmen? Wie? Hab' ich auch Brust für das? — Und wenn er nun heimeilt und nicht erwarten kann, die ganze Summe seiner Freuden vom Gesicht dieser Tochter herunter zu zählen, und hereintritt und sie da liegt, die Blume – welk – todt – zertreten, muthwillig, die letzte, einzige, unüberschwängliche Hoffnung – Ha, und er dasteht vor ihr, und dasteht und ihm die ganze Natur den lebendigen Odem anhält, und sein erstarrter Blick die entvölkerte Unendlichkeit fruchtlos durchwandert, Gott sucht, und Gott nicht mehr finden kann und leerer zurückkommt — Gott! Gott! Aber auch mein Vater hat diesen einzigen Sohn – den einzigen Sohn, doch nicht den einzigen Reichthum – (Nach einer Pause.) Doch wie? Was verliert er denn? Das Mädchen, dem die heiligsten Gefühle der Liebe nur Puppen waren, wird es den Vater glücklich machen können? – Es wird nicht, es wird nicht! Und ich verdiene noch Dank, daß ich die Natter zertrete, ehe sie auch noch den Vater verwundet.
Fünfte Scene.
Miller , der zurückkommt, und Ferdinand .
Miller.
Gleich sollen Sie bedient sein, Baron! Draußen sitzt das arme Ding und will sich zu Tod weinen. Sie wird Ihnen mit der Limonade auch Thränen zu trinken geben.
Ferdinand.
Und wohl, wenn's nur Thränen wären! — Weil wir vorhin von der Musik sprachen, Miller – (Eine Börse ziehend.) Ich bin noch Sein Schuldner.
Miller.
Wie? Was? Gehen Sie mir, Baron! Wofür halten Sie mich? Das steht ja in guter Hand, thun Sie mir doch den Schimpf nicht an, und sind wir
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