Drei Eichen (German Edition)
Eckstein nickte dankbar, und Irrlinger klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter.
»Hier ist ein furchtbares Verbrechen verübt worden, Gottfried, aber die Polizei wird das schon aufklären. So, und jetzt tu, was ich dir gesagt habe.« Noch einmal tätschelte er ihm die Schulter, dann ging er die Treppe hinunter ins Erdgeschoss, um zu warten.
»Bernd, bist du das?« Die Frage wurde von einem jungen Polizisten gestellt, der eben erst zu seinen Kollegen gestoßen war.
»Ach, der Herr Geisfelder, welche Ehre«, antwortete Lagerfeld erfreut, als die Kollegen der Coburger Polizei ihm und Haderlein gerade Handschellen anlegen wollten. »Könntest du die Heinis da vielleicht einmal aufklären, dass auch wir auf der guten Seite der Macht kämpfen?« Martin Geisfelder war ein Exkollege aus Bamberg, der mit ihm bei der Sitte gearbeitet hatte. Im Grunde ein schlichtes Gemüt, aber der Herr sollte ihn dafür segnen, dass er jetzt gerade Dienst hatte.
»Kennst du den etwa?«, fragte ein älterer Kollege ungläubig.
»Natürlich. Darf ich vorstellen: Kriminalhauptkommissar Haderlein und Kriminalkommissar La… äh, ich meine, das ist Bernd Schmitt, und beide sind von der Dienststelle Bamberg. Warum verhaftet ihr die, die gehören doch zu uns?«, wollte Geisfelder erstaunt wissen.
Im gleichen Moment meldete sich der Funk in den anwesenden Einsatzfahrzeugen zu Wort. Der Kollege, der die beiden Bamberger Kommissare gerade hatte verhaften wollen, hörte die Meldung ab, kam wieder zurück und nahm ihnen die eben erst angelegten Handschellen ab.
»Ich bitte vielmals um Entschuldigung. Wir werden mit dem Herrn Friedrich mal ein ernstes Wort sprechen müssen, aber das ist jetzt nebensächlich. Gerade ist eine Meldung über einen Mordfall reingekommen, den können Sie dann ja gleich übernehmen.« Man sah dem Polizisten an, dass er die Anwesenheit von Lagerfeld und Haderlein plötzlich als äußerst praktischen Umstand wertete. Um den bitterbösen Blick von Lagerfeld scherte er sich nicht wirklich.
»Wo?«, fragte Haderlein einer bösen Ahnung folgend sogleich nach.
»Gleich hier, in der gelben Villa der CC ler«, erwiderte der Polizeihauptwachtmeister und ging zu seinem Auto. »Fahren Sie mir einfach nach!«
»Meinst du, dass wir wieder zu spät kommen?«, rief Lagerfeld Haderlein zu, als sie zu ihrem Landrover liefen.
Doch der knallte nur wütend die Beifahrertür hinter sich zu. »Fahr!« Er ahnte, dass die große Show inklusive tödlichem Finale schon wieder ohne sie abgelaufen war.
Schweigend folgten sie den Einsatzfahrzeugen der Polizei einige Meter bis zu dem gelb verputzten Haus mit den drei Fahnen. Als sie ausstiegen, wurden sie schon von einem älteren Polizisten herbeigewunken, sodass sie ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt sahen. Links neben dem Haus lag der tote Werner Grosch verkrümmt im Gras. In seiner Stirnmitte und auf Brusthöhe waren die Einschusslöcher eines großen Kalibers zu erkennen.
»Im ersten Stock gibt’s noch mehr Tote«, sagte ein Polizist erschüttert, der gerade aus dem Haus gekommen war.
Kommissar Bernd Schmitt hatte sich über den am Boden liegenden Grosch gebeugt und schaute nun auf. »Ach, und keine Pfeile weit und breit?«, entfuhr es ihm.
Haderlein hatte sich einem unbestimmten Gefühl folgend umgedreht und sah nun nach oben zum Balkon der Villa hinauf. Im diffusen Mondlicht stand dort Dr. Gerhard Irrlinger und sah ihn mit ausdruckslosem Gesicht und stechendem Blick aus seinen graublauen Augen an. Haderlein schauderte, aber dann fühlte er die kalte Wut des heutigen Tages wieder in sich aufsteigen. »Ich werde dich kriegen«, murmelte er leise, als der Mann auf dem Balkon sich umdrehte und im Innern der Villa verschwand.
Epilog 1
Der Wahlraum im Coburger Rathaus war schon den ganzen Tag über recht gut besucht gewesen, doch kurz vor Toresschluss nahm der Ansturm auf die Wahlurne noch einmal zu. Noch um fünf vor sechs ging es in dem Wahlraum zu wie in einem Taubenschlag. Wahlzettel wurden eiligst überprüft, Ausweise kontrolliert, es bildeten sich sogar kleine Schlangen, da der Zuständige der hiesigen Wahlurne, Kreisrat Eisenhardt, mit dem ihm eigenen peniblen Perfektionismus das Einwerfen der Wahlzettel beaufsichtigte.
Von all dem unbemerkt wurde draußen vor dem Rathaus ein Fahrrad abgestellt, ein wahlberechtigter Bürger betrat den Wahlraum und holte unter Vorlage seines zerfledderten, aber gültigen Reisepasses seinen Wahlschein ab. Der Umstand, dass der Wahlberechtigte
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