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Drei Eichen (German Edition)

Drei Eichen (German Edition)

Titel: Drei Eichen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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hinuntergestürzt wäre, und nun das. Darauf war er 1980 nicht vorbereitet worden, als er seinen Dienst angetreten hatte.
    Dann fiel sein Blick auf die Axt an der Wand. Eigentlich war sie dazu gedacht, Schwemmgut, das sich im Wehr verhakt hatte, zu zerteilen und zu entfernen. Sie war schön und schwer, ihr blanker Eschenholzstiel glänzte. Das letzte Mal hatte er sie vor einundzwanzig Jahren benutzt, als die alte Weide vom gegenüberliegenden Ufer auf ein Auto gefallen war. Obwohl er den Baum in kürzester Zeit zerteilt hatte, war dem Landtagsabgeordneten der CSU und seiner Gespielin damit freilich nur wenig geholfen gewesen. Die beiden hatten sich einfach entschieden, zur falschen Zeit unter dem falschen Baum einem Techtelmechtel nachzugehen, das kein gutes Ende nehmen sollte. Um die Weide hatte es ihm damals wirklich leidgetan.
    Jetzt nahm er mit einer flüssigen Handbewegung die Axt von der Wand und stürmte zum grauen Verteilerkasten am Ende des Steges. Hastig fingerte er den Hauptschlüssel aus seinem umfangreichen Schlüsselbund heraus und öffnete zum ersten Mal in seinem Arbeitsleben den Verteilerkasten des Überlandwerks. Schon die zweite Premiere an diesem Abend! Zwar konnte er vier armdicke Kabelstränge ausmachen, die sich aus dem Boden des Kastens nach oben schlängelten, um dann in großen, keramischen Verbindungseinheiten zu verschwinden, zuordnen konnte er sie jedoch nicht. Es gab weder typische Farben noch aufschlussreiche Beschriftung – nichts. Lohneis war mit seinem Handwerkerlatein am Ende.
    Hinter ihm verschwand der Wehrsteg bereits in der aufgewirbelten Gischt. Es half alles nichts. Er hob die Axt hoch über seinen Kopf, und mit einem »Leckt mich doch alle am Arsch!« rammte er das Lieblingsgerät aller Holzfäller mitten in die undefinierte Kabelansammlung hinein. Ein blauer Blitz zuckte, ein Funkenregen sprühte, dann sprang ihm die Axt aus den Händen.
    Schlagartig wurde es ruhiger im Turbinenhaus. Der gleichmäßig hohe Ton der Generatoren wurde tiefer, die großen Maschinen begannen auszulaufen und würden in ein paar Momenten stillstehen. Die Reißleine war gezogen.
    Lohneis atmete erleichtert auf. Wenigstens das hatte funktioniert. Er sah sich um. Nicht nur die Stegbeleuchtung war erloschen, auch Kloster Banz lag im Dunkeln, genauso wie Reundorf und das nahe Hausen. Soweit er sehen konnte, war die gesamte Zivilisationsbeleuchtung im Obermaintal nicht mehr existent. »Leckt mich doch alle am Arsch!«, wiederholte er noch einmal leise, bevor er zitternd auf die Knie sank. Sogleich gesellte sich sein Hund zu ihm und leckte ihm aufmunternd übers Gesicht.
    »Ach, Murat, ich glaube, wir haben gerade ganz Oberfranken stillgelegt«, seufzte Lohneis, während sich hinter ihm der befreite Main hemmungslos in sein enges Bett ergoss.
    *
    Edwin Rast fühlte sich wie ein Feldherr, dem eine siegreiche Schlacht bevorstand. Einerseits würde heute Nacht der letzte Rekord fallen, andererseits würde er morgen den totalen Triumph, den Endsieg feiern können. Aber bis dahin waren es noch vierundzwanzig Stunden, jetzt hatte er noch eine letzte Etappe zu gewinnen, eine Lücke im Puzzle zu schließen. Seinen ganz persönlichen Missing Link. Ein orgastischer Moment stand ihm bevor. Langsam und gefühlvoll kurbelte er den Blinker zu sich heran. Er konnte den Zander schon regelrecht spüren. Er zog ihn an wie ein Magnet. Es war, als besäße er hypnotische Kräfte, die jeder Anakonda zur Ehre gereicht hätten. Gleich war es so weit …
    Plötzlich hörte er hinter sich ein Geräusch. Er ignorierte es, nein, er musste es ignorieren. Selbst wenn sich hinter ihm in diesem Moment ein Grizzly aufgebaut hätte, um Geschlechtsverkehr mit und von ihm einzufordern, hätte er ihn nicht beachtet. Er war Angler, und vor ihm schwamm der wichtigste Fang seines Lebens. In diesem Moment hätte er alles riskiert. Scheidung, Aktienverluste, sogar den Diebstahl seines Wagens. Er hatte den Tunnelblick aufgesetzt, außer dem Fisch war jetzt nichts mehr wichtig. Es ruckelte an der Rute.
    Jetzt!, dachte er voller Vorfreude.
    »Petri Heil, Edwin!«, tönte es von hinten.
    »Moment!«, konnte er noch rufen, dann verschwand die Rute, der Fisch und auch der letzte Rest der Abendsonne. Edwin Rast spürte dem kurzen, heftigen Schmerz in seinem Kopf noch einen Moment lang nach – dann wurde es dunkel um ihn herum.
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