Drei Generationen auf dem Jakobsweg
nachdem meine Tochter keinen Pieps von sich gab, konnte ich ja auch nicht jammern.
Nach ca. zwei Stunden kamen wir in Aurizberri an und wie aufs Stichwort wurde unsere Kleine wach. Nicht wissend, was die letzten zwei Stunden mit ihr geschehen war, schwang sie sich quietschfidel aus dem Wagen. Zu ihrem Vergnügen gab es fast in jedem Ort, wo wir Pause machten, einen Kinderspielplatz. Schaukeln ist für sie das größte Vergnügen. Weil wir alle nicht mit vollem Magen weiterlaufen wollten, aßen wir vorsichtshalber nur einen von zu Hause mitgebrachten Müsliriegel. Man glaubt auch nicht, wie gut Wasser schmecken kann.
Nach einer dreiviertel Stunde Rast an einer wunderschönen Kirche, welche leider nicht geöffnet war, machten wir uns erneut auf den Weg. Unsere Kleine setzte sich wieder in ihre Kinderkutsche, wir schnürten die Schuhe, schnallten die Rucksäcke um und weiter ging es. Ich merkte meine Füße, vor allem meine Zehen taten irrsinnig weh. Irgendwie tat bereits jetzt alles, von der Schulter abwärts, weh. Bergauf und bergab, ein herrlicher Pfad. Den Weg säumen viele herrliche Buchsbäume, Haselnusssträucher, Eichen und wunderschöne Weißdornbüsche. Plötzlich mündete der schöne Pfad in einen grässlich betonierten Weg. Wirklich nett gemacht, aber kein Segen für die Füße und Gelenke und irgendwie kein Ende in Sicht. Ich dachte, was haben wir uns da nur angetan? Mittags machten wir dann in Bizkarreta in einem netten kleinen Lokal Pause. Weiter ging es dann Richtung Zubiri, wo wir neben dem Weg in einem Waldstück an einer Gedenkstätte vorbeikamen, die an einen 64-jährigen Asiaten erinnerte, der hier auf seinem Pilgerweg verstorben war. Wir hatten ja schon einiges über Todesfälle der Pilger, sei es wegen Krankheit, Erschöpfung etc., auf dem Jakobsweg gehört, aber gleich auf der ersten Etappe auf so ein Schicksal hingewiesen zu werden, dämpfte unsere Euphorie.
Endlich kam Zubiri auf uns zu und ich dachte so für mich, lieber Gott, bitte lass irgendetwas geschehen, dass meine »Mitpilger« ein Einsehen haben und in Zubiri Schluss für diese Etappe sein muss. Wir gingen über eine kleine, romantische und sehr alte Steinbrücke, die Puente de la Rabia, nach dem Volksmund »Brücke der Tollwut« genannt. Man glaubte nämlich, von der Tollwut befallene Tiere würden geheilt, wenn sie die Brücke dreimal überquerten. Als wir von der Brücke nach unten schauten, sahen wir, dass einige Pilger am Flussufer saßen und ihre Füße in das kühle Nass hängten. Andere wiederum lagen oder saßen am Ufer, sichtlich zufrieden mit sich, und ließen den Tag ausklingen. Gleich daneben befand sich ein schön angelegter Spielplatz, auf dem sich einige Einheimische mit ihren Kindern aufhielten. Auch unsere Kleine machte sich mit meiner Tochter sofort auf den Weg zur Schaukel. Wie ich meine Tochter bewunderte, wo nahm sie nur diese Reserven her? Geduldig schaukelte sie Franziska hin und her, diese gluckste vor Freude ganz laut. Mein Mann und ich ließen uns wie die anderen Pilger einfach auf der Wiese nieder.
Nach einer kurzen Pause wollten wir uns dann auf den Weg zu unserem endgültigen Etappenziel Larrasoaña machen. Tochter und Enkelin kamen zurück, damit wir uns für die nächsten fünf Kilometer rüsten konnten. Wir schnürten die Schuhe und die Rucksäcke. Mein Mann stand auf und setzte sich gleich wieder. Kreislaufprobleme , sofort holte ich aus der vordersten Tasche meines Rucksackes unsere Kreislauftropfen, von denen ich eigentlich dachte, dass ich sie brauchen würde, und gab davon meinem Mann. Mein Mann sagte: »Ich denke mal, für heute müssen wir Schluss machen. Wir sollten uns hier eine Pension suchen .« Meine Tochter war auch gleich einverstanden. Wir blieben noch ein bisschen, bis sich der kalte Schweiß auf der Stirn meines Mannes verabschiedete, und machten uns dann auf den Weg in die nächstgelegene Pension. Wir mussten auch nicht lange suchen, bis wir eine Unterkunft hatten. Allerdings plagte mich ein furchtbar schlechtes Gewissen. Hatte ich mir nicht gewünscht hier zu bleiben, hatte ich nicht unseren Herrgott darum gebeten, irgendetwas geschehen zu lassen, um bleiben zu können? Aber ich dachte doch nicht an einen Kreislaufzusammenbruch von einem von uns dreieinhalb Pilgern! Lieber Gott, ich muss noch an meiner Formulierung arbeiten.
Später, nach unserem Abendessen, welches wir leider wieder erst um halb neun einnehmen konnten, gestand ich meinem Mann dann meinen Wunsch und die damit
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