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Drei Kameraden

Drei Kameraden

Titel: Drei Kameraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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mein Fräulein Mutter auch schon immer gesagt: Wer böse ist, wird alt. Moral ist eine Erfindung der Menschen; nicht eine Konsequenz des Lebens.«
     Er gab dem Mann sein Geld, und wir gingen weiter. Die Straße war leer. Eine schwarze Katze huschte vor uns her. Lenz zeigte hin. »Jetzt müßten wir eigentlich umkehren.«
     »Laß man«, sagte ich, »wir haben vorhin eine weiße gesehen; das hebt sich auf.«
     Wir gingen die Straße entlang. Ein paar Leute kamen uns auf der anderen Seite entgegen. Es waren vier junge Burschen. Einer trug hellgelbe, neue Ledergamaschen, die andern eine Art von Militärstiefeln. Sie blieben stehen und sahen zu uns herüber. »Da ist er!« rief plötzlich der mit den Gamaschen und lief schräg über die Straße auf uns zu. Im nächsten Augenblick krachten zwei Schüsse, der Bursche sprang weg, und alle vier rissen aus, so schnell sie konnten. Ich sah, wie Köster zum Sprung ansetzte, aber dann in einer merkwürdigen Drehung abbog, die Arme ausstreckte, einen gepreßten, wilden Laut ausstieß und Gottfried Lenz aufzufangen versuchte, der schwer aufs Pflaster schlug.
     Eine Sekunde dachte ich, er sei nur gefallen; dann sah ich das Blut. Köster riß ihm die Jacke auf, zerrte das Hemd weg – das Blut quoll dicht hervor. Ich preßte mein Taschentuch dagegen. »Bleib hier, ich hole den Wagen«, rief Köster und rannte los.
     »Gottfried«, sagte ich, »hörst du mich?«
     Sein Gesicht wurde grau. Die Augen waren halb geschlossen. Die Lider bewegten sich nicht. Ich hielt mit der einen Hand seinen Kopf, mit der anderen drückte ich das Taschentuch auf die blutende Stelle. Ich kniete neben ihm, ich lauschte auf sein Röcheln, seinen Atem, aber ich hörte nichts, lautlos war alles, die endlose Straße, die endlosen Häuser, die endlose Nacht – ich hörte nur leise klatschend das Blut auf das Pflaster fallen und wußte, daß das schon einmal so gewesen sein mußte und daß es nicht wahr sein konnte.
     Köster raste heran. Er riß die Lehne des linken Sitzes nach hinten herum. Wir hoben Gottfried vorsichtig hoch und legten ihn auf die beiden Sitze. Ich sprang in den Wagen und Köster schoß los. Wir fuhren zur nächsten Unfallstelle. Köster bremste vorsichtig. »Sieh nach, ob ein Arzt da ist. Sonst müssen wir weiter.«
     Ich lief hinein. Ein Sanitäter kam mir entgegen. »Ist ein Arzt da?«
     »Ja. Habt ihr jemand?«
     »Ja. Kommen Sie mit 'ran! Eine Tragbahre.«
     Wir hoben Gottfried auf die Bahre und trugen ihn hinein.
    Der Arzt stand schon in Hemdsärmeln bereit. »Hierher!« Er zeigte auf einen flachen Tisch. Wir hoben die Bahre hinauf. Der Arzt zog eine Lampe herunter, dicht über den Körper.
     »Was ist es?« – »Revolverschuß.«
     Er nahm einen Bausch Watte, wischte das Blut fort, griff nach Gottfrieds Puls, horchte ihn ab und richtete sich auf. »Nichts mehr zu machen.«
     Köster starrte ihn an. »Der Schuß sitzt doch ganz seitlich. Es kann doch nicht schlimm sein!«
     »Es sind zwei Schüsse!« sagte der Arzt.
     Er wischte wieder das Blut weg. Wir beugten uns vor. Da sahen wir, daß schräg unter der stark blutenden Wunde eine zweite war – ein kleines, dunkles Loch in der Herzgegend.
     »Er muß fast augenblicklich tot gewesen sein«, sagte der Arzt. Köster richtete sich auf. Er sah Gottfried an. Der Arzt bedeckte die Wunden mit Tampons und klebte Heftpflasterstreifen darüber. »Wollen Sie sich waschen?« fragte er mich.
     »Nein«, sagte ich.
     Gottfrieds Gesicht war jetzt gelb und eingefallen. Der Mund war etwas schiefgezogen, die Augen waren halb geschlossen, das eine etwas mehr als das andere. Er sah uns an. Er sah uns immerfort an.
     »Wie ist es denn gekommen?« fragte der Arzt.
     Niemand antwortete. Gottfried sah uns an. Er sah uns unverwandt an.
     »Er kann hierbleiben«, sagte der Arzt.
     Köster rührte sich. »Nein«, erwiderte er. »Wir nehmen ihn mit!«
     »Das geht nicht«, sagte der Arzt. »Wir müssen die Polizei anrufen. Die Kriminalpolizei auch. Es muß doch sofort alles getan werden, um den Täter zu finden.«
     »Den Täter?« Köster blickte den Arzt an, als verstünde er ihn nicht.
     »Gut«, sagte er dann, »ich werde hinfahren und die Polizei holen.«
     »Sie können telefonieren. Dann sind sie schneller hier.«
     Köster schüttelte langsam den Kopf. »Nein. Ich werde sie holen.«
     Er ging hinaus, und ich hörte Karl anspringen. Der Arzt schob mir einen Stuhl hin. »Wollen Sie sich nicht solange setzen?«
     »Danke«,

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