Drei Kameraden
des Chaos brauste und in dem wir geborgen hockten, rätselhaft zueinander geweht durch das Zwielicht der Zeit« (S. 38). 18
Immer wieder sind es rauschhafte Zustände des Erlebens und der Liebe, welche die Kriegsvergangenheit, die schlimmen sozialen und politischen Zustände der Gegenwart in der Krisenzeit der Weimarer Republik erträglich und lebbar machen für ein Leben »nur noch von Illusionen und Krediten« (S. 60), wie Lenz es ausdrückt. Nur so sind »der Schrei der Not und die Hilflosigkeit eines verlorenen Lebens« (S. 112) zu ertragen, nur so verstehen sie, die Angehörigen des Ordens, zu hüpfen wie ein »munterer Floh auf dem rieselnden Geröll der Zeit«. (S. 138) Am liebsten möchten sie in den bewußtlosen Zustand der Urzeit zurückflüchten, vor allem Denken und vor aller Reflexion in die »herrliche Zeit, als wir noch Schachtelhalme und Molche waren« (S. 139).
Der Roman Drei Kameraden st eht mit seinem Ausweichen in Anti-Rationalität und unreflektiertes, unmittelbares Gefühlserleben dem erst 1956 publizierten Roman Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend im Schaffen Remarques am nächsten. Frühe Entwürfe zu diesem Roman stammen wohl auch schon aus dem Zeitraum, in dem Drei Kameraden en tstand.
Drei Kameraden enthält harte soziale Anklagen gegen Arbeitslosigkeit, Not und politische Irrationalität, wohl am treffendsten artikuliert in der Schilderung der Arbeitslosen, welche die für sie luxuriös ausgestatteten Säle eines Museums als »Wärmestube« besuchen, Menschen mit »blassen Gesichtern und abgetragenen Anzügen«, mit »Augen, die etwas ganz anderes sahen als die Bilder der Renaissance und die stillen Marmorfiguren der Antike«. Diese Menschen waren ausgestoßen aus den Bezirken ihrer Arbeit, ihres Strebens, ihrer Berufe... Sie dachten an Brot, immer nur an Brot und Beschäftigung...
Diese Mitbürger mit »schleppendem Gang, mit vorgebeugten Schultern«, »die kein Ziel haben«, sind für den Autor ein erschütternder Kontrast, ein trostloses Bild dessen, was die Menschheit in Tausenden von Jahren erreichen und nicht erreichen konnte: den Gipfel ewiger Kunstwerke, aber nicht einmal Brot genug für jeden ihrer Brüder. (S. 269) Remarque ist ein scharfer Beobachter, der viele Elendsgestalten und elendigliche Verhältnisse in das Umfeld seiner Liebesund Kameradschaftsgeschichte einflicht. Er tut dies in bitterer Verzweiflung, in einer durchaus resignativen Haltung, die wenig Raum für Optimismus läßt und die Grenze des Zynismus streift.
Robby, der, um wieder einmal »Boden unter den Füßen« zu haben, zu den »Kameraden« in die »alte, ehrliche Heimat« von Freds Bar geht und eine »halbe Flasche« Rum »leert«, konstatiert an einer, wie häufig bei Remarque, nur beiläufig scheinenden Stelle des Dialogs, daß »alle« in der Runde und in ihrer lockeren Alkoholstimmung über die Gegenwartsumstände lachen müssen. Es heißt:
Wenn man über das zwanzigste Jahrhundert nicht lachte, mußte man sich erschießen. Aber man konnte nicht lange darüber lachen. Es war ja eigentlich zum Heulen. (S. 157) Remarque ist ein glaubwürdiger und überzeugender Chronist seiner Zeit, der 20er und 30er Jahre, trotz aller Rum- und Eskapismusseligkeiten seiner Figuren. Sein Roman verleiht der fürchterlichen Verzweiflung Stimme über die »ins Nichts abstürzende Gegenwart« (S. 153) des aufziehenden NS-Regimes und seiner vom Autor vorausgeahnten entsetzlichen Folgen.
IV. Deutschland im Strudel des Abgrunds
In den amerikanischen und englischen Rezensionen des
Jahres 1937 wird Drei Kameraden üb erwiegend positiv bewertet. Einerseits hebt man Remarques Zugriff auf die Realgeschichte der präfaschistischen Endzeit der Weimarer Republik als kaum übertreffbare, glaubwürdige Zeitchronik hervor, die gerade dem nichtdeutschen Leser Verständnismöglichkeiten der deutschen Gegenwart eröffnet, andererseits erhält die Qualität der Liebesgeschichte von Pat und Robby in solchen Kritiken hohes Lob. So heißt es in The Saturday Review of Literature:
Remarque begnügt sich damit, die unmittelbare
Geschichte von unmittelbar erfahrenen individuellen Menschenschicksalen zu erzählen: Er erzählt mit einem Vermögen zum Mitleiden, das die Frage nach dem Universum im Kielwasser hat. Er taucht tief durch eine schmale Öffnung, sieht sehr weit, indem er auf das Naheliegende schaut. Drei Kameraden ist eine unvergeßliche Liebesgeschichte und zugleich ein unvergeßlich
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