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Die Erben der Nacht 04 Dracas

Die Erben der Nacht 04 Dracas

Titel: Die Erben der Nacht 04 Dracas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schweikert Ulrike
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WIEDERSEHEN IN WIEN
    Luciano ließ seinen Blick über die Särge schweifen, die sich an der Wand entlangreihten. Unzählige Kleidungsstücke lagen darauf ausgebreitet: Jacken, Gehröcke, Hosen, Hemden und Westen von verschiedenem Schnitt und in allen erdenklichen Farben, dazu Halsbinden, Hüte, Schuhe, Handschuhe und ein eleganter Gehstock mit einem geschnitzten Knauf.
    Nachdenklich sah er an sich herunter und betrachtete die moosgrüne Jacke, die er über einer gestreiften Weste und kräftig braunen Pantalons trug. Eine knallgelbe Halsbinde und Lackschuhe mit weißen Gamaschen vervollständigten die Aufmachung.
    Mit einem Seufzer nahm Luciano den neuen Zylinder vom Kopf und warf ihn auf den Sarg vor sich. »Ich weiß nicht so recht. Dario, was hast du noch?«
    Wortlos reichte ihm der Diener ein weißes Seidenhemd, eine schwarze Frackhose und die dazu passende Jacke mit den langen Schößen aus gleichem Tuch. Luciano sah an sich herab und zog eine Grimasse.
    »Ist etwas nicht in Ordnung, liebster Cousin?« Chiara erhellte mit ihrem Lächeln den feuchten Raum in einem Seitenflügel der Domus Aurea, des ehemaligen Neropalasts in Rom, der wie eine Gruft anmutete.
    Luciano hob die Arme. »Ich weiß nicht, was ich nach Wien mitnehmen soll. Ich habe nichts Passendes zum Anziehen!«
    »Du Armer!«, spottete die Vampirin. »Ich dachte, diese Bemerkung sei ein Privileg des weiblichen Geschlechts.«
    Chiara trat näher. Wieder einmal musste Luciano neidvoll anerkennen, dass seine Cousine umwerfend aussah. Wie die meisten Mitglieder des Clans der Nosferas hatte die Natur sie mit prächtigen
schwarzen Locken und üppig weiblichen Formen gesegnet. Doch Chiara war eine der wenigen des römischen Clans, die nicht zu übermäßigem Blutgenuss neigte, einer Angewohnheit mit unübersehbaren Folgen. Ihr Vetter Maurizio war da ein gutes Beispiel, man konnte ihn nur noch als unförmige Masse bezeichnen. Wobei sein Kater Ottavio inzwischen genauso fett war wie sein Herr.
    Chiara dagegen standen ihre Formen verführerisch gut zu ihrem zugegeben runden, aber hübschen Gesicht und sie verstand es, mit ihren Kleidern jedes Gramm an sich vorteilhaft zur Geltung zu bringen. Heute trug sie ein Kleid aus saphirblauem Seidentaft, das in unzählige Falten gelegt bis zum Boden herabwallte. Die weiße Haut ihres Dekolletés rahmte schwarze Spitze und auf dem Ansatz ihrer Brüste funkelte ein Collier aus Perlen und Saphiren.
    Luciano fiel es schwer, sich von diesem Anblick loszureißen. Und dabei war sie seine Cousine! Er fragte sich, wie die anderen Erben der Clans auf ihre Erscheinung reagieren würden. Vielleicht würde er Chiara in diesem Akademiejahr ein wenig im Auge behalten müssen, damit keiner es wagte, ihr zu nahe zu treten. Sie waren schließlich keine Kinder mehr. Luciano zählte - wie seine Cousine - bereits sechzehn Jahre.
    Chiara sah sich in seinem steinernen Gemach um und erfasste die ausgebreiteten Kleidungsstücke mit einer Handbewegung. »Ist das alles?«, fragte sie spöttisch.
    Luciano nickte unglücklich. »Bisher ja.«
    »Und was ist das dort drüben?« Sie deutete auf einen Stoffberg, der die auf den Särgen liegenden Kleidungsstücke um ein Vielfaches übertraf.
    »Lauter altes Zeug, das ich nicht mehr anziehen kann.«
    Chiara pickte eine elegante Hose und eine weinrote Jacke hervor und hielt sie vor ihn hin. »Das finde ich nicht schlecht und auch nicht zu altmodisch. Zieh mal an!«
    Luciano gehorchte unter Protest. »Das ganze Zeug passt mir nicht mehr. Ich bin über den Sommer mindestens eine Handspanne gewachsen.«
    »Und erheblich dünner geworden«, stellte sie verblüfft fest, als er die Hose schloss, die ihm über die Hüften zu rutschen drohte. Ihr
Blick wanderte zum Saum hinunter, der sich irgendwo im unteren Bereich seiner Waden verlor. Chiara schüttelte lachend den Kopf. »Nein, davon kannst du wirklich nichts mehr anziehen. Versuche es mit dem schwarzen Frack, den Dario dir herausgesucht hat.«
    Luciano gehorchte. »Ja, nicht schlecht, aber so düster - naja, schwarz eben. Findest du nicht?«
    »Das nennt man elegant.« Chiara kam mit wiegenden Hüften näher und pikte ihn mit ihrem gepflegten langen Fingernagel in die Brust. »Nicht, dass ich etwas gegen farbenprächtige Kleider einzuwenden hätte, doch mir ist, als könne ich bereits Franz Leopolds ätzende Kommentare hören, wenn er dich darin sieht.«
    Luciano zog eine Grimasse. Er konnte Chiara nicht widersprechen.
    »Lass dir lieber noch einen schwarzen

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