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Drucke Zu Lebzeiten

Drucke Zu Lebzeiten

Titel: Drucke Zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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schönes
Licht. Du nippst vom Frühstück, statt dich ordentlich zu
stärken. Du sitzt bei geschlossenem Fenster, und die Luft
würde dir so gut tun. Nein Vater! Ich werde den Arzt holen und
seine Vorschriften werden wir befolgen. Die Zimmer werden wir wechseln,
du wirst ins Vorderzimmer zie- hen, ich hierher. Es wird keine
Veränderung für dich sein, alles wird mit
hinübergetragen. Aber das alles hat Zeit, jetzt lege dich noch ein
wenig ins Bett, du brauchst unbedingt Ruhe. Komm, ich werde dir beim
Ausziehn helfen, du wirst sehen, ich kann es. Oder willst du gleich ins
Vorderzimmer gehn, dann legst du dich vorläufig in mein Bett. Das
wäre übrigens sehr vernünftig."
      Georg stand knapp neben seinem Vater,
der den Kopf mit dem struppigen weißen Haar auf die Brust hatte
sinken lassen.
      „Georg", sagte der Vater leise, ohne Bewegung.
      Georg kniete sofort neben dem Vater
nieder, er sah die Pupillen in dem müden Gesicht des Vaters
übergroß in den Winkeln der Augen auf sich gerichtet.
      „Du hast keinen Freund in
Petersburg. Du bist immer ein Spaßmacher gewesen und hast dich
auch mir gegen- über nicht zurückgehalten. Wie solltest du
denn gera- de dort einen Freund haben! Das kann ich gar nicht glauben."
      „Denk doch noch einmal nach,
Vater", sagte Georg, hob den Vater vom Sessel und zog ihm, wie er nun
doch recht schwach dastand, den Schlafrock aus, „jetzt wird es
bald drei Jahre her sein, da war ja mein Freund bei uns zu Besuch. Ich
erinnere mich noch, daß du ihn nicht besonders gern hattest.
Wenigstens zweimal habe ich ihn vor dir verleugnet, trotzdem er gerade
bei mir im Zim- mer saß. Ich konnte ja deine Abneigung gegen ihn
ganz gut verstehn, mein Freund hat seine Eigentümlichkeiten. Aber
dann hast du dich doch auch wieder ganz gut mit ihm unterhalten. Ich
war damals noch so stolz darauf, daß du ihm zuhörtest,
nicktest und fragtest. Wenn du nachdenkst, mußt du dich erinnern.
Er erzählte damals unglaubliche Geschichten von der russischen
Revolu- tion. Wie er z. B. auf einer Geschäftsreise in Kiew bei
einem Tumult einen Geistlichen auf einem Balkon gese- hen hatte, der
sich ein breites Blutkreuz in die flache Hand schnitt, diese Hand erhob
und die Menge anrief. Du hast ja selbst diese Geschichte hie und da
wiederer- zählt."
       Währenddessen war es Georg
gelungen, den Vater wieder niederzusetzen und ihm die Trikothose, die
er über den Leinenunterhosen trug, sowie die Socken vor- sichtig
auszuziehn. Beim Anblick der nicht besonders reinen Wäsche machte
er sich Vorwürfe, den Vater ver- nachlässigt zu haben. Es
wäre sicherlich auch seine Pflicht gewesen, über den
Wäschewechsel seines Vaters zu wachen. Er hatte mit seiner Braut
darüber noch nicht ausdrücklich gesprochen, wie sie die
Zukunft des Vaters einrichten wollten, aber sie hatten stillschweigend
vor- ausgesetzt, daß der Vater allein in der alten Wohnung
bleiben würde. Doch jetzt entschloß er sich kurz mit aller
Bestimmtheit, den Vater in seinen künftigen Haus- halt
mitzunehmen. Es schien ja fast, wenn man genauer zusah, daß die
Pflege, die dort dem Vater bereitet wer- den sollte, zu spät
kommen könnte.
       Auf seinen Armen trug er den
Vater ins Bett. Ein schreckliches Gefühl hatte er, als er
während der paar Schritte zum Bett hin merkte, daß an seiner
Brust der Vater mit seiner Uhrkette spiele. Er konnte ihn nicht gleich
ins Bett legen, so fest hielt er sich an dieser Uhr- kette.
       Kaum war er aber im Bett,
schien alles gut. Er deckte sich selbst zu und zog dann die Bettdecke
noch beson- ders weit über die Schulter. Er sah nicht unfreundlich
zu Georg hinauf.
       „Nicht wahr, du erinnerst dich schon an ihn?" fragte Georg und nickte ihm aufmunternd zu.
       „Bin ich jetzt gut
zugedeckt?" fragte der Vater, als könne er nicht nachschauen, ob
die Füße genug bedeckt seien.
       „Es gefällt dir also schon im Bett", sagte Georg und legte das Deckzeug besser um ihn.
       „Bin ich gut zugedeckt?" fragte der Vater noch einmal und schien auf die Antwort besonders aufzupassen.
       „Sei nur ruhig, du bist gut zugedeckt."
      „Nein!" rief der Vater,
daß die Antwort an die Frage stieß, warf die Decke
zurück mit einer Kraft, daß sie einen Augenblick im Fluge
sich ganz entfaltete, und stand aufrecht im Bett. Nur eine Hand hielt
er leicht an den Plafond. „Du wolltest mich zudecken, das
weiß ich, mein Früchtchen, aber zugedeckt bin ich noch
nicht. Und ist es auch die letzte

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