Drunter und Drüber
Unterschied zwischen uns beiden«, erklärte Butch verächtlich. »Wenn es ans Eingemachte geht, bist du einfach ein Jammerlappen.«
»Ach ja? Vielleicht ist dir aufgefallen, dass nicht ich mir in die Hosen gemacht habe. Und der Unterschied zwischen uns beiden besteht darin, dass ich weiß, was im Leben wichtig ist, während du armseliger kleiner Scheißer keinen blassen Schimmer davon hast.«
»Oh, ich weiß sehr wohl, was wichtig ist.«
»Ja, das ist sicher auch der Grund, weshalb du lieber einen kleinen Verkäufer erschossen hast als deine Frau um Geld für Bier zu bitten. Oder – das wäre mal was völlig Neues für dich gewesen – endlich den Arsch hochzukriegen und einen Job zu finden, damit du dein Bier allein bezahlen kannst.«
»Du selbstgerechtes Arschloch. Wenigstens werde ich mich darüber freuen können, dass du ebenfalls hinter Gittern landen wirst.«
»Das werden wir ja sehen. Ein weiterer Unterschied zwischen uns beiden ist, dass ich weiß, dass ein Mord mich sicher nicht davor bewahrt. Aber das kapierst du nicht, nicht wahr, Butch? Du hast immer noch nicht begriffen, dass es falsch war, einen Mann zu töten, nur, weil er zwischen dir und einem Sixpack stand.«
Die Tür ging quietschend auf. J.D. hob den Kopf und merkte, dass Dru im Flur der Hütte stand und sie beide beobachtete. Er versuchte vergeblich ihr Gesicht hinter dem Fliegengitter zu erkennen. Dann knirschte der Kies auf dem Weg hinter dem Haus.
Er konzentrierte sich wieder auf Butch. »Sieht aus, als wäre dein Taxi da, mein Freund.«
Er steckte die Waffe zurück in den Bund seiner Hose, zerrte Butch mit seiner freien Hand unsanft auf die Füße und einen Moment später bog der Stellvertreter des Sheriffs um die Ecke.
Doch so froh J.D. auch über sein Erscheinen war, hatte er doch das Gefühl, dass dies das Ende nicht nur der Träume seines alten Kumpels, sondern auch seiner eigenen Träume war.
26
S obald der stellvertretende Sheriff Butch im Polizeiauto verfrachtet hatte, baute sich Dru vor J.D. auf und klopfte ihm mit der flachen Hand aufgebracht gegen die Brust. »Fahr einfach mit mir in den Wald und erschieß mich dort ?«, wiederholte sie seine Worte, schlang ihm ihre Arme um die Taille und hielt ihn mit der Kraft der Verzweiflung fest. Gott, sie hatte solche Angst um ihn gehabt. Sie schmiegte ihre Wange eng an seine Brust, schaute ihm dann jedoch abermals zornig ins Gesicht und erklärte: »Dafür hättest du es verdient, dass du von mir erschossen wirst.«
»Ich weiß.« Er zog sie in seine Arme und hielt sie eine Weile stumm fest. Dann rückte er gezwungenermaßen ein Stückchen von ihr ab und sah sie derart traurig an, dass sich ihr Magen verknotete.
»Es tut mir Leid, Dru«, sagte er, während er sanft mit seinen Daumen über die Vertiefung oberhalb ihres Schlüsselbeins strich. »Es tut mir Leid, dass du das gehört hast. Es tut mir Leid, dass du gezwungen warst, Gewalt auszuüben. Verdammt, es tut mir Leid, dass ich dich überhaupt in diese ganze grässliche Sache mit hineingezo...«
»Drucilla!« Beim Klang von Sophies aufgeregter Stimme drehte Dru den Kopf und sah, dass ihre Tante und ihr Onkel den Weg heraufgelaufen kamen.
Der Wagen des Sheriffs fuhr gerade rückwärts aus der Einfahrt und sie konnte sehen, dass Butch mit geradezu gekränkter Miene durch das Seitenfenster sah. Ein Schauder rann ihr über den Rücken. Das Letzte, was sie wollte, war, dass ihr Sohn auch nur in Sichtweite von diesem Schurken geriete – selbst wenn dieser Mörder ihn nur kurz sah, wäre das bereits zu viel. Sie löste sich aus J.D.'s Umarmung und hastete ängstlich auf Tante und Onkel zu.
»Schon gut«, meinte Sophie, und ihre Fähigkeit, die Gedanken ihrer Nichte zu lesen, hatte etwas Tröstliches für Dru. »Tate liegt in seinem Bett und schläft. Wir haben mit dem Babysitter telefoniert und gesagt, dass es noch ein bisschen dauert. Was ist passiert, Liebling? Du hast dich am Telefon ziemlich undeutlich ausgedrückt.«
»Vielleicht kann ich die Sache erklären«, mischte sich J.D. in das Gespräch und erzählte knapp, was vorgefallen war.
Als Dru merkte, dass er die Absicht hatte, seine eigenen – guten – Taten mit keiner Silbe zu erwähnen, vervollständigte sie die Schilderung. Die ganze Zeit über jedoch hatte sie das Gefühl, eine gespaltene Persönlichkeit zu haben. Sie war hin- und hergerissen zwischen glühender Bewunderung für seinen Mut und mühsam unterdrücktem, nicht minder glühendem Zorn. Sie wollte, dass
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