DS067 - Die Giftinsel
nicht übel Lust, dem Hindu an den Hals zu fahren. Sollte der Bursche erst das einmal in seinen Gedanken lesen.
»Es würde Ihnen nichts nützen«, sagte der Hindu, »denn ich bin ein unbedeutender Mann, der Ihnen nicht schaden, sondern Ihnen vielmehr einen Gefallen tun will.«
»Was würde mir nichts nützen?«
»Mich zu erwürgen. Sie haben gerade daran gedacht.«
Herb March spürte im Rücken ein leises Kribbeln. »Hören Sie«, sagte er, »was, zum Teufel, soll das? Wer sind Sie?«
»Ich bin Mahatma Rhi, ein bescheidener Student des Geistes, der die Welt durchwandert, um, wie ich bedauernd sagen muß, die dünne Schale von Verstand im Schädel der Menschen zu studieren. Verstehen Sie mich richtig, ich versuche nicht etwa zu behaupten, daß andere Rassen im Vergleich zu meiner eigenen Rasse ein Spatzenhirn haben. Man bekommt nur ledig das, wonach man strebt, ob es nun in Indien oder in Tulsa, Oklahoma, ist.«
»Ich bin aus Tulsa, Oklahoma«, sagte Herb March. »Also seien Sie vorsichtig.«
»Ja«, sagte der Hindu. »Sie wohnten dort am South Boulder, und Sie waren Anzeigenvertreter für die Tulsa World, eine Morgenzeitung.«
Das Kribbeln in Herb Marchs Rücken verstärkte sich. Er starrte den Hindu an, aber das Licht war nicht allzu gut. Es kam von einer Straßenlampe, die einen halben Häuserblock entfernt stand. Deshalb konnte er nur erkennen, daß der andere tatsächlich ein Hindu zu sein schien. Er trug ein weites sackartiges Gewand, das dem von Mahatma Ghandi ähnlich sah. Herb hatte immer angenommen, daß die meisten Hindus hagere Gestelle von Haut und Knochen waren. Dieser hingegen war stämmig und untersetzt. Herb war sich ganz sicher, diesen Hindu noch niemals zuvor gesehen zu haben, was dessen Gedankenlesen umso gespenstischer machte.
»Was wissen Sie sonst noch von mir?« fragte Herb, nachdem er sich nervös geräuspert hatte.
»Örtliche Regierungsstellen«, sagte der Hindu, »würden Sie sehr gern erwischen und erschießen, weil Sie an der Revolution beteiligt waren, die hier versucht wurde.«
»Und ...«
»Es würde sehr schade sein«, erklärte ihm der Hindu, »wenn Sie sich auf jenem Schoner als blinder Passagier verstecken würden, wie Sie im Moment Vorhaben.«
»Schade – wie meinen Sie das?«
»Ich habe Ihnen die Kraft meines Geistes demonstriert«, fuhr der Hindu fort, »um Sie zu überzeugen, daß ich weiß, wovon ich rede. Wenn ich Sie nicht überzeugen konnte, ist das Ihr Pech. Nebenbei, ich tue dies nur, weil ich Abenteuer ebenso liebe wie Sie. Ich – äh – bin selber so etwas wie ein Abenteurer – einer des Geistes.«
»Ich glaube, ich werde Ihrem Rat folgen«, sagte er. »Gut. Haben Sie Geld?«
»Ich habe beinahe vergessen, was das Wort Geld bedeutet.«
Der Hindu fummelte unter dem sackartigen Gewand herum, das er trug. »Hier«, sagte er, »haben Sie Geld für die Nahrung des Körpers, die Gift für den Geist ist.«
Es war ein kleiner Packen von fünf absolut echt wirkenden Zehn-Dollar-Noten. Fünfzig Dollar. Hier unten hätte man für eine solche Summe den Präsidenten ermorden lassen können.
»He, was soll ich damit?« japste Herb.
»Drehen Sie sich davon, wenn Sie wollen, Zigaretten«, sagte der Hindu. »Ich an Ihrer Stelle würde mir damit jedoch lieber einen Führer zur Nordgrenze mieten. Die See ist für Sie voller Gefahren. Die Regierung von Hidalgo verfügt über mehrere neue Küstenpatrouillenboote und lauert nur darauf, sie auszuprobieren.«
»Danke«, sagte Herb March. »Vielen Dank.«
»
Goodbye
«, sagte der Hindu.
»
Goodbye
.«
Herb March ging rasch von der Waterfront weg, bis er gut zweihundert Meter in den Dschungel eingedrungen war. Dort setzte er sich hin, zog einen fertiggeschriebenen Brief aus der Tasche und begann, ihm ein Postscriptum hinzuzufügen.
Der Brief war an Glendara Smith gerichtet, Herbs Freundin und bei einer Ölgesellschaft in den Vereinigten Staaten angestellt. Herb hatte den Brief mühsam geschrieben, während er den Tag über in der Baumkrone gehockt hatte. Darin berichtete er von seinen Schwierigkeiten.
In dem Nachsatz schrieb Herb, daß er auf dem Dreimast-Schoner Patricia nach Norden segeln würde. Das bronzehaarige Mädchen erwähnte er nicht, weil man so etwas in einem Brief an seine Freundin tunlichst lieber nicht erwähnt.
Herb gelang es dann, sich an einen Briefkasten zu schleichen und den Brief einzuwerfen. Zum Glück hatte er genug Briefmarken in seiner Brieftasche.
Ganz vorsichtig schlich Herb dann zur
Weitere Kostenlose Bücher