Du bist mein Stern
Straßen, und als ich den Kopf zum Fenster rausstrecke und an ihnen hochschaue, staune ich noch mehr. Ich kann nicht fassen, dass sie nicht in der Mitte durchbrechen, denn sie sind dünner als Zahnstocher. Es ist Mitte Juli, aber manche Leute haben immer noch die Weihnachtsdeko an ihren müde wirkenden Häuserfassaden hängen. Sie sieht inzwischen traurig aus und glitzert in der Nachmittagssonne. Kein Wunder, dass diese Stadt auch Tinseltown – Stadt des oberflächlichen Glanzes – genannt wird. Ich halte nach dem berühmten Hollywood-Schriftzug Ausschau, kann ihn aber nicht finden.
Noch nicht.
O Gott, wie kann es sein, dass mir das hier passiert?
Keine meiner Freundinnen kann es glauben, weil ich mir noch nie viel aus Johnny Jefferson gemacht hab. Klar, ich finde, er sieht super aus – wer findet das nicht? –, aber ich steh eigentlich nicht auf ihn. Und was Rockmusik angeht, na ja; ich finde Avril schon ziemlich Hardcore. Take That dagegen kann ich jeden Tag hören.
Jede, die ich kenne, würde, um an meiner Stelle zu sein, ihren kleinen Zeh hergeben, oder gar ihren ganzen Fuß. Ach und wo wir schon mal dabei sind: und eine Hand noch dazu.
Ich
dagegen würde mich schon damit schwertun, mehr als den Nagel meines großen Onkels herzugeben. Geschweige denn, dass ich auf einen ganzen Zeh verzichten würde.
Was nicht heißen soll, dass ich den Job nicht total spannend finde. Und die Tatsache, dass alle meine Freundinnen verrückt nach Johnny sind, macht ihn sogar noch aufregender.
Davey fährt durch das Tor nach Bel Air, Zufluchtsort der Reichen und Berühmten.
»Da drüben hat Elvis gewohnt«, zeigt er mir, während wir an sogar noch eindrucksvolleren Anwesen vorbei bergauf fahren. Ich verrenke mir den Hals, um einen Blick auf die gepflegten Gärten hinter den hohen Mauern und Hecken zu erhaschen.
Die Schmerzen in meinem Kopf sind offenbar durch Schmetterlinge im Bauch abgelöst worden. Ich wische mir den Schweiß von der Stirn und sage mir, dass das eine ganz normale Nebenwirkung von zu viel Alkohol ist.
Wir fahren weiter bergauf, dann hält Davey plötzlich vor einem imposanten Holztor. Kameras an stählernen Pfosten beiderseits des Wagens sind bedrohlich auf uns gerichtet. Ich fühle mich beobachtet und möchte mein Fenster am liebsten sofort wieder hochfahren. Davey meldet über eine Gegensprechanlage unsere Ankunft, und wenige Augenblicke später öffnet sich das Tor. Meine Hände sind feucht.
Die Auffahrt ist nicht lang, fühlt sich aber endlos an. Zunächst verbergen Bäume das Haus, doch als wir um eine Kurve biegen, taucht es vor uns auf.
Es wirkt modern: Rechteckig, Außenwände aus weißem Beton, zwei Stockwerke, klare Linien.
Davey hält an und steigt aus, um mir die Tür aufzuhalten. Dann stehe ich da und versuche, meine Nervosität zu unterdrücken, während er mein Gepäck aus dem Kofferraum holt. Die riesige, schwere Haustür schwingt auf, und schon steht eine rundliche kleine, spanisch aussehende Frau mit einem freundlichen Lächeln neben mir.
»Na, wen haben wir denn da?« Sie strahlt mich an, und ich finde sie auf Anhieb sympathisch. »Ich bin Rosa«, sagt sie, »und Sie müssen Meg sein.«
»Guten Tag … «
»Kommen Sie doch rein!«
Davey wünscht mir Glück und verabschiedet sich, und ich folge Rosa in eine große, helle Diele. Als wir sie durchquert haben und durch eine weitere Tür treten, bleibe ich wie angewurzelt stehen. Eine vom Boden bis zur Decke reichende Glaswand gibt einen atemberaubenden Blick auf die Stadt frei, über der flimmernd die Nachmittagshitze liegt. Ein Swimmingpool schimmert kühl und blau im Garten.
»Sensationell, nicht wahr?« Rosa muss lächeln, als sie meinen Gesichtsausdruck sieht.
»Ja, phantastisch«, stimme ich zu.
Ich frage mich, wo wohl der Rockstar ist?
»Johnny ist spontan weggefahren, um zu komponieren«, erklärt Rosa mir.
Oh.
»Er kommt erst morgen zurück«, fährt sie fort. »Sie haben also ein bisschen Zeit, Ihre Sachen auszupacken und sich einzuleben. Oder noch besser: Draußen am Pool … « Sie zwinkert mir verschwörerisch zu.
Ich greife nach meinem Koffer und überspiele tapfer meine Enttäuschung, während Rosa mich in den weitläufigen offenen Wohnbereich führt, der eine beeindruckende Deckenhöhe hat. Nur an der Stereoanlage und dem riesigen Flachbildfernseher erkenne ich, dass es sich um das Wohnzimmer handelt, denn die moderne, ultracoole Möblierung beschränkt sich auf das absolute Minimum.
Ich bin beeindruckt und
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