Girlfriend in a Coma
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Alle Ideen sind wahr
Ich bin Jared, ein Geist.
Am Freitag, dem 14. Oktober 1978, spielte ich Football mit meinem High-School-Team, den Sentinel Spartans. Es war ein Auswärtsspiel an einer anderen Schule, in Handsworth, North Vancouver. Ziemlich zu Anfang des Spiels bekam ich einen Ball zugeworfen, und während ich mich umdrehte, um ihn zu fangen, fiel mir unwillkürlich auf, wie rein und blau der Himmel war, wie ein frisch geputztes Fenster. Im selben Moment wurde ich ohnmächtig. Offenbar ging der Paß ins Leere, und an das, was danach geschah, kann ich mich nicht erinnern, aber ich erfuhr immerhin, daß die Trainer das Spiel abbrachen, was wirklich blöd war, denn wir waren gerade am Abräumen, und wer weiß - ich hatte zwei Jahre zuvor Pfeiffersches Drüsenfieber gehabt, und dies war vielleicht bloß ein schwerer Rückfall.
Doch zwischen dem Fehlpaß und dem Moment, als ich ein paar Stunden später im Lions Gate Hospital aufwachte, wurde bei mir Leukämie diagnostiziert - Krebs des Knochenmarks und somit des Blutes. Nur drei Monate später, am 14. Januar 1979, starb ich. Die Krankheit war ungewöhnlich schnell verlaufen. Vor meinem Tod gingen mir alle Haare aus, und meine Haut nahm die Farbe eines ungewaschenen weißen Autos an. Wenn ich das Ganze noch mal durchmachen könnte, würde ich etwa von der sechsten Woche an die Spiegel verhängen.
Mein Leben war glücklich, erfüllt und kurz, Mutter Erde war nett zu mir, und mein Kampf gegen den Krebs war meine Große Erfahrung. Abgesehen natürlich von meiner Sexorgie mit Cheryl Anderson, in der Woche, als ihre Eltern renovierten und die ganze Familie für fünf Tage ins Motel zog. Aber das mal beiseite - ich glaube, daß das Leben eines Menschen, der nicht irgendeine Große Erfahrung gemacht hat, umsonst gewesen ist. Eine solche Erfahrung muß weder umwerfend noch todbringend sein, und es muß auch keine Cheryl Anderson darin vorkommen, oft kann ein ruhiges Leben in Einsamkeit schon eine Große Erfahrung sein. Und außerdem muß ich sagen: Krankenhäuser sind Magneten für Mädchen. Mein Zimmer dort wurde schnell zu einem richtigen Festwagen voller .Blumen, Kekse, Strickwaren und Mädchen, die sich ganz offensichtlich stundenlang zurechtgemacht hatten (mit reizendem Ergebnis). Das Universum hatte es jedoch so idiotisch eingerichtet, daß ich zu schwach war, um angemessen auf all die unzweideutigen Angebote reagieren zu können, die mir Wagenladungen von Betties und Veronicas machten - mit Ausnahme der vorwitzigen Cheryl Anderson, die mir an dem Tag, als mir die Augenbrauen ausfielen, »manuell Erleichterung« verschaffte, gefolgt von einer Tränenflut und Polaroid-Aufnahmen, auf denen ich ein Strickmützchen trage. Ziemlich feuchte Angelegenheit.
Aber zurück ins Hier und Jetzt - hierher, wo ich heute bin, hier am Ende der Welt.
Ja, die Welt ist zu Ende. Sie ist immer noch da, aber sie ist... zu Ende. Ich bin am Ende der Welt. Dust in the wind. The end of the world as we know it. Just another brick in the wall. Klingt glamourös, ist es aber nichts Es ist trostlos und still, und die Luft riecht immer so, als würde eine halbe Meile gegen den Wind ein Reifenstapel brennen.
Lassen Sie mich beschreiben, was ein Jahr nachdem es mit der Welt zu Ende ging, von ihr übriggeblieben ist: Es ist vor allem still - keine Motoren, keine Stimmen, keine Musik. Kinoleinwände fransen aus und zerfasern wie abgetragene Hemden. Unzählige Autos, Laster und Minivans stehen beladen mit verwesten Skeletten auf Seitenstreifen herum. Auf der ganzen Welt stürzen Eigenheime ein und sinken in sich zusammen. Klaviere, Sofas und Mikrowellengeräte brechen durch Fußböden und fördern dabei Banknoten und Liebesbriefe zutage, die in den Dielen versteckt waren. Das Haltbarkeitsdatum der meisten Lebensmittel und Medikamente ist abgelaufen. Draußen ist alles vom Regen zerfressen und durch ständige Gewitter aus dem Takt geraten. Die Feuer brennen natürlich noch, und das Wetter neigt zu Extremen. Die Vorstadtstraßen, wie die, auf denen ich aufgewachsen bin, lösen sich, von wilden, struppigen Pflanzen überwuchert, in ihre Bestandteile auf, Schlingpflanzen ranken über Straßen, auf denen keine Camaros mehr fahren. Lautlos zersetzt sich in dunklen, trockenen Schränken die Bespannung von Tennisschlägern. Zehn Millionen Bilder fallen von zehn Millionen Wänden, Verkehrsschilder werfen Blasen und verrosten. Hungrige Hunde streifen in Rudeln umher. Kämen Sie heute zu Besuch auf die
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