Du Durchschaust Mich Nicht
waren wir älter, manche hatten schon eine Freundin, und ich hatte das Gefühl, einiges aufholen zu müssen. Neben der Schule arbeitete ich weiter an meiner Illusionskunst, aber ich ging jetzt auch mehr raus und traf mich mit Freunden.
Für das Abi bereitete ich mich nicht wirklich intensiv vor, das Zaubern war mir immer wichtiger. Erst wenige Wochen vor den Prüfungen wurde mir klar, dass ich ohne Lernen nicht weit kommen würde. Ab diesem Moment büffelte ich wie ein Wahnsinniger. Bis spät in die Nacht, so dass sich meine Eltern schon sorgten, weil ich nur wenige Stunden Schlaf bekam. Als das Abi dann gut geschafft war, freuten sie sich. Und erst recht begeistert waren sie, als ich nach dem Zivildienst in einem Krankenhaus zum Jurastudium an die Uni Bochum ging. Ein Jurist in der Familie kann schließlich nicht schaden!
Aber auch da hatten sich meine Eltern zu früh gefreut. Viel Zeit zum Studieren hatte ich nämlich nicht, denn ich trat bereits mehrmals pro Woche als Magier in Clubs in Bochum und Düsseldorf auf, entwickelte Showkonzepte für Restaurants und wurde oft auf Messen gebucht. Dafür kreierte ich immer öfter eigene Illusionen, für die ich Requisiten beschaffen und die ich einüben musste. Ohne es mir auf die Fahne geschrieben zu haben, arbeitete ich bereits daran, mir als Magier einen eigenen Stil und ein vorzeigbares Repertoire anzueignen.
Inzwischen fragten meine Eltern immer häufiger nach, ob ich denn noch genug Zeit für mein Studium hätte. »Klar!«, beruhigte ich sie. Das stimmte aber nicht wirklich. Und hey, die Auftritte haben enorm Spaß gemacht, viel mehr Spaß jedenfalls, als tausend Paragraphen auswendig zu lernen.
Trotzdem war das Jurastudium hilfreich, vor allem, als ich mich bei den Eltern meiner damaligen Freundin vorstellte. Ich verkniff mir, mich als Zaubernerd zu enttarnen – »Ich habe früher schon mein ganzes Taschengeld für Spielkarten, Becher mit doppeltem Boden und unsichtbare Fäden ausgegeben …« –, und erzählte auch nichts von den Videos, die ich mit meinem besten Freund Pierre drehte, um sie bei YouTube einzustellen.
Doch genau diese Videos brachten mir in kurzer Zeit so große mediale Aufmerksamkeit, dass ich erste TV -Auftritte bekam. Wenig später erhielt ich eine unglaubliche Chance bei Sony- BMG , die mich 2007 als weltweit ersten Zauberkünstler unter Vertrag nahmen. Bereits ein Jahr später trat ich in der ersten Staffel der großen Pro- 7 -Show
The next Uri Geller
als Mentalist auf, und MTV kreierte ein neues TV -Format für mich –
MTV Mystified.
Spätestens jetzt hätte ich den Eltern meiner Freundin reinen Wein einschenken müssen, wenn wir noch zusammen gewesen wären … Ich bekam meine eigene TV -Serie auf Pro 7 ,
Street Magic,
und zog mit einer abendfüllenden Live-Show durchs Land und bis nach Las Vegas. Ich kann es selbst nicht fassen, dass ich das alles in so kurzer Zeit erreicht habe: Hallo, ich bin Farid, Magier von Beruf!
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Kapitel Zwei: Was Magie alles kann – und nicht kann
I ch liebe die Zauberer, weil sie ehrliche Menschen sind. Sie sagen, dass sie dich täuschen wollen, und dann tun sie es.« Diesen Ausspruch des amerikanischen Schriftstellers Elbert Hubbard habe ich vor einiger Zeit in Olaf Benzingers »Das Buch der Zauberer« wiederentdeckt und mir sogleich für mein eigenes Buchprojekt notiert. Es ist ein wunderbares Zitat, weil es auf den Punkt bringt, was wir Magier heute immer noch betonen müssen, obwohl es eigentlich selbstverständlich sein sollte: Magie ist kein Zauber, sondern die perfekte Illusion von etwas.
Ein seriöser Magier würde niemals behaupten, »zaubern« zu können, aber er könnte sehr wohl behaupten, Unmögliches Wirklichkeit werden zu lassen. Er täuscht etwas vor, er täuscht bewusst die Wahrnehmung, die Sinne, das Denken seines Publikums. Diese Täuschungsprozesse sind in keinster Weise mit einfachen Tricks oder Kniffen gleichzusetzen, denn es bedarf bei der Schaffung von Illusionen meist weitaus mehr: Oft muss etwas präpariert werden; mal ist eine außergewöhnliche Apparatur oder eine mechanische Einrichtung nötig, manchmal sogar erst zu erfinden; mal kommen mathematische oder mentale Kombinationsprinzipien zur Anwendung, nicht nur bei Kartentricks; fast immer bedarf es einer außerordentlichen Fingerfertigkeit, Menschenkenntnis und hervorragender kommunikativer Fähigkeiten.
Illusionen sind eher Kunststücke denn Tricks. Und deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die meisten
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