Du + Ich - Wir Zwei, 2
die Vergangenheit zu konzentrieren, mich für das Licht anstatt für die Dunkelheit zu entscheiden. Ich will diesen Moment der ausgelassenen Freude mit Clémentine teilen, weil sie mir wahnsinnig viel bedeutet und weil ich ihr drittes Kind jetzt schon liebe. Gut zwei Stunden lang sprechen wir über Vornamen, Kinderwagen und Fläschchen, bevor wir uns dann schließlich verabschieden und noch einen letzten verständnisinnigen Blick austauschen.
„Alma?“, sagt sie, während ich mich schon ein paar Meter entfernt habe.
„Ja?“
„Du bist auch noch an der Reihe! Und dann werde ich für dich da sein“, ruft sie plötzlich ergriffen.
„Ich weiß, Clem …“
„Mr. und Mrs. King geben stolz die Geburt ihrer Drillinge bekannt … Das klingt gut, oder?“, gluckst sie von Weitem.
„Bis dahin werdet ihr schon sechs Kinder haben!“, antworte ich vergnügt.
„Wenn ich weiterhin jedes Mal Zwillinge bekomme, stehen die Chancen gut“, erwidert sie, bevor sie mir einen letzten Luftkuss zuwirft.
Um 19 Uhr etwa komme ich im Grand Rex an und treffe dort meine Kollegen, die alle schick gekleidet, aber auch genervt sind. In meinem Lieblingskleid von Dior, das bis zu den Absätzen meiner Jimmy Choos geht, beobachte ich mein Umfeld. Drinnen tauschen kreative Köpfe und zuverlässige Mitarbeiter von King Productions untereinander ihre Eindrücke aus. Draußen ist die Atmosphäre laut und unruhig. Die Aufregung steht in die unbekannten Gesichtern geschrieben. Ungefähr tausend Menschen stehen entlang der Rue Poissonnière Schlange. Die Vorpremiere von
Pretty Little Murders
hat Anklang gefunden. Das Schlimmste konnte verhindert werden.
In einer Stunde werden die großen Türen des Pariser Gebäudes geöffnet und knapp über zweitausend Menschen hineinströmen. Bevor sie sich aber auf die besten Plätze stürzen, werden sie auch noch etwas für ihr Geld bekommen. Auf dem roten Teppich folgen die Stars des futuristischen Thrillers unter dem Applaus, dem Blitzlichtgewitter, den Autogrammwünschen und Heiratsanträgen einander. Journalisten und Kameramänner sind natürlich mit von der Partie. Einige, die vorher sorgfältig ausgewählt wurden, bekommen in diesem unruhigen Chaos ein Interview.
Bis jetzt läuft noch alles gut …
Grace Montgomery nutzt ihre glanzvolle Viertelstunde auf dem
red carpet
und verlässt dann die Menge, um die anderen Schauspieler in der Loge zu treffen, die für sie reserviert ist. Taktvoller gehen der Regisseur und sein Team vor. Sie gehen schnell an den Kameras vorbei und ins Grand Rex hinein. Kate Monroe kommt kurz vor 20 Uhr an. Sie trägt ein Kleid von Gucci und sieht darin umwerfend gut aus. Am Arm ihres Mannes strahlt sie. Als sie mich sieht, zwinkert mir meine Vorgesetzte verständnisinnig zu, als ob sie mir sagen möchte: „Gute Arbeit. Wir haben es geschafft!“
Wenige Minuten vor der Eröffnung legt dann Mr. King einen auffälligen – und bemerkenswerten – Auftritt hin. Er steigt aus seiner Stretchlimousine. Er trägt einen Markenanzug, hat ein kühles Lächeln auf den Lippen, sein durchdringender Blick bietet dem Blitzlichtgewitter wie ein stolzer Stier seinem Matador die Stirn. Mein Vorstandsvorsitzender, der umwerfend gut aussieht, geht um den Wagen herum und öffnet dann die Beifahrertür. May Sim steigt aus. Sie trägt ein fließendes und verführerisches Kleid eines berühmten Modeschöpfers. Von allen Seiten ist Gemurmel zu hören. Das Paar im Scheinwerferlicht hat gerade den Hollywoodstars die Show gestohlen.
Nichts geht mehr …
Die beiden VIPs betreten den roten Teppich und nehmen sich Zeit für die Fotografen. Die hübsche Asiatin schmiegt sich an meinen Geliebten, lächelt verführerisch – genauer gesagt wie eine Galionsfigur – und flüstert ihm ein paar Worte ins Ohr, um Neugierde zu wecken und damit die Leute ihnen ihre angebliche Beziehung abkaufen. Mir wird schlecht. Dann hat dieses Spielchen ein Ende und das falsche Paar betritt das größte Kino Europas. Die Tür hat sich kaum hinter ihnen geschlossen, als Vadims Blick in meinem versinkt. Ich liege im Sterben. Ihm entgeht das nicht. Nur wenige Meter von mir entfernt, versucht er mich mit seinem Blick zu durchdringen und schenkt mir ein aufrichtiges, fast schon mitfühlendes Lächeln. Er weiß, dass es für mich eine Qual ist, ihn mit ihr zu sehen, dass ich an seinem Arm sein müsste, dass es mich jeden Tag ein wenig mehr zerfrisst, unsere Liebe heimlich ausleben zu müssen.
Ich habe keine Zeit, mein
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