„Du kommst hier nicht rein!“: Der Mann an der härtesten Tür Deutschlands packt aus (German Edition)
die erste Offiziersmesse Münchens einrichteten; mit einem Restaurant, mehreren Shops und einem großen Tanzsaal – und in den Ausstellungssälen spielten sie Basketball. Ab 1949 fand die moderne Kunst ihre neue Heimatstätte im (seit 1946 so bezeichneten) Haus der Kunst, Prinzregentenstraße 1. Eine Adresse wie aus dem Bilderbuch. Aber die Aussprache der Adresse machte den amerikanischen Besatzungssoldaten dermaßen zu schaffen, dass sie es schlicht »P-One« nannten. Sie tanzten, tranken, speisten und feierten, bis in den Sechzigerjahren ein beleibter Grieche namens Alecco das P-One von den Amis übernahm. Ende der Siebziger versuchte der Münchner Gastronom Stevie Neumayer sein Glück mit dem P1, wurde Anfang der Achtziger aber schnell abgelöst von dem schräg-schrillen Nightlife-Pärchen Hansi und Inge Grandl, die das P1 als einen der ersten New Wave-Clubs in Deutschland im Punk-Style präsentierten.
Die besten Jahre des P-One begannen allerdings erst 1983, als der umtriebige Feinkosthändler und Partymacher Gerd Käfer seinem Sohn, dem Käfer »Michi«, das in die Jahre gekommene P-One zum 25. Geburtstag schenkte. Der Papa sagte: »Mach was draus«, und der Sohnemann machte. Anlage rein, alles weiß getüncht, vier Bars, das war’s. Jetzt fehlte nur noch die Werbung, damit die richtigen Leute kamen. Im Nu fanden Michi Käfer und sein damaliger Geschäftsführer Franz Rauch eine Marketingphilosophie, die so einfach wie genial war. So trat der knallharte Türsteher auf den Plan und die angeordnete Devise der Angebotsverknappung ließ nicht nur Lieschen Müller und Max Mustermann im Ungewissen über Glücksgefühl oder Seelenleid – auch die Promis bekamen die Macht des Zerberus zu spüren. Und das P1 wurde zur begehrtesten Disco Deutschlands. Wer drin war, war in. Doch wie kam man rein?
ZWEI
Der falsche Fuffziger
D as also war die berühmte Schickeria – eine Welt, in der unbestreitbar Geld und Status eine wichtige Rolle spielten. Und ich war mittendrin und saß auf meinem Thron auf dem P-1-Balkon. Ich genoss sichtlich die Blicke der Topmodels, die mich mit ihren Augen aufzufressen schienen, und die Blicke der Adabeis, jener Münchner Spezies, denen der Neid im Gesicht abzulesen war. Ein herrliches Gefühl! Es fühlte sich unglaublich gut an, begehrt zu werden, vor allem, weil es sich um langbeinige Beautys und lechzende Groupies handelte. Es war einfach zu schön.
Mein wohliger Glückstraum fand ein abruptes Ende, als ich im Halbschlaf das mehrmalige Klopfen an meiner Tür hörte. Ich tastete nach der Nachttischlampe, deren Schnurschalter ich mit Klebeband repariert hatte. Meine Schwabinger Bude war damals so groß wie eine Einzelzelle in der Justizvollzugsanstalt Stadelheim im Münchner Stadtteil Obergiesing, nur mit Badewanne und Fenster ohne Gitter. Als ich das Licht angeknipst hatte, schleppte ich mich über den beigen Veloursteppich die zwei Meter zu meiner Wohnungstür. Es war sieben Uhr morgens und eigentlich konnte es um diese Uhrzeit nur der Gerichtsvollzieher oder mein nerviger Nachbar sein, der mal wieder aus dem Afterhour-Club gestolpert kam und mir – ein deutliches »No way!« wäre aus mir herausgefahren – ein tiefsinniges Gespräch über Weltoffenheit und Freizügigkeit reindrücken wollte. Aber es war keiner von beiden. Der erste Typ, den ich sah, nachdem ich die Tür geöffnet hatte, war nur einssechzig groß und trug einen Hundert-Tage-Bart. Das grün karierte Hemd steckte in einer schlecht sitzenden Khakihose. Das machte ihn klein und rund. Ich hörte nur: »Bertl Halbritter, Kriminalpolizei.« – »Ich zieh mir nur noch etwas an und hol meine Zahnbürste.« Das musste ich einfach sagen, weil dieses Zitat in den US-Krimis aus den Siebzigerjahren in solchen Situationen einfach immer der beste Satz war. Ich saß zum ersten Mal in einem Polizeiwagen. Auf der Rückbank. Ich verschränkte meine Hände hinter dem Rücken und tat so, als hätte ich Handschellen an. Wollte schon immer mal wissen, wie das ist.
Nach der erfolgreichen Aktion mit Clint Eastwood war ich nun schon viermal im P1 gewesen. Ich hatte gehört, dass man sich unter der Woche dem Türsteher bekannt machen muss, damit man am Wochenende reinkommt. East wood war am Freitag gewesen. Und natürlich bin ich am Sonntag, am Montag und Dienstag gekommen und hab jedes Mal schön brav »Grüß dich« zu Jackie, dem Türsteher, gesagt; so hieß »Gary Kemp« nämlich mit richtigem Namen. Ich bin pro Abend fünfmal rein- und
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