„Du kommst hier nicht rein!“: Der Mann an der härtesten Tür Deutschlands packt aus (German Edition)
Buddhisten ausmacht. Selbst einen Wok hatte er sich gekauft und mit Stäbchen essen konnte er auch schon. Er war jeden Abend im P1, kümmerte sich rührig um sein Personal und hatte viele Narben auf der Stirn, weil Karate-Kurt etliche Schlägereien mit Größeren meist mit einem »Dänemann«, einem Kopfstoß, beendete und sich dabei öfter selbst verletzte. Die Mädchen liebten seine Narben und er erzählte ihnen die wildesten Geschichten, wie sie entstanden waren. Natürlich konnte ich die Damenwelt verstehen, die Kurt anhimmelte. Mit seinem kurzen, geschniegelten Haar sah er aus wie der Klippenspringer aus der Duschgel-Werbung.
Ich gab mir Mühe, Kurts Frauenbekanntschaften zu verfolgen, doch manchmal wechselte er diese so schnell, dass selbst ich den Überblick verlor. Ich erinnere mich noch genau an die Party eines Plattenlabels, zu der auch die drei Mädels der damals angesagten britischen Girlband Bananarama eingeladen waren. Kaum hatten Siobhan, Keren und Sarah auf den Barhockern an Balus Bar Platz genommen, war es um Sarah geschehen, als Kurt sie fragte, ob er noch etwas für sie tun könne. »Yes, darling, you could do something for me …« Sie sprach’s, nahm ihn an der Hand und ging mit ihm schnurstracks in einen ruhigeren Nebenraum, als wäre sie schon hundertmal dort gewesen. Es gab keine Tür zu diesem Separee, es hingen nur ein paar bunte Glasperlenketten im Türrahmen, sodass man schemenhaft erkennen konnte, was dahinter passierte. Wir nannten den Raum später nur noch das Bananenzimmer.
Eine Woche nach den Bananas machte Kurt die Tür. Keine Spur von Jackie. Sie haben ihn hops genommen, erzählte Rebecca später, weil er am Monopteros im Englischen Garten beim Kiffen erwischt worden war. Okay, zum dritten Mal. Jetzt musste er einen Monat sitzen. In der Ettstraße, wo sie alle hinkamen, wenn sie ein oder zwei Monate kriegten. Deshalb stand Kurt an der Tür. Und das war gar nicht sein Ding. Er wurde sichtlich nervös, wenn mehr als drei Leute vor der Tür standen und um Einlass fragten. Es war erstaunlich, wie viele Frauen ihre Ehemänner vor der Tür stehen ließen, um nur eine Nacht im P1 verbringen zu können. »Wir sehen uns dann zu Hause, Schatz«, ein kleiner Abschiedskuss und der Gatte musste mit der Tram nach Hause fahren, während die Ehefrau ihr sexuelles Coming-out auf den Solnhofer Natursteinplatten der P-1-Tanzfläche erlebte. Geschwister, Paare, beste Freunde und sogar Zwillinge hatten sich an der Tür getrennt, damit wenigstens einer Einlass bekam.
Allen Unkenrufen zum Trotz war nicht unbedingt das Outfit entscheidend, um reinzukommen. Die pferdeledernen Schuhe aus den USA für tausend Mark oder das Dinnerjacket aus der Modeboutique im Grandhotel von Portofino waren nicht gleich die Eintrittskarte ins Reich der Sinne. Ich wunderte mich immer wieder, wie viele Leute im P1 einfach nur mit Jeans und T-Shirt ein- und ausgingen, als wäre es ihr Zuhause. Wer öfter vor der Tür stand, konnte sehen, wie einer in Sneakers reindurfte und ein anderer im Maßanzug nicht. Das passte doch gar nicht zur öffentlichen Meinung, dass hier nur alte Säcke in Frack und Sakko den Schampus spritzen und dafür junge Nutten in Miniröcken ohne Höschen auf der Bar tanzen ließen. Okay, Arndt lebte beispielsweise allein in einer Villa in Bogenhausen und hätte mit seinen 72 Lenzen astrein dem Klischee der P-1-Sugardaddys entsprechen können. Dreimal die Woche kam der Gastprofessor für Literaturgeschichte an der Münchner Uni ins P1, trank Rhabarbersaftschorle und hörte sich die traurigsten Storys süßer Mädchen an, die in ihm den guten alten Onkel sahen, der so gut zuhören konnte. Seine roten Haare hatten durch den weißen Anzug, den er bei jedem Besuch trug, eine ganz besondere Wirkung. Es hieß, er hätte an die hundert weiße Anzüge in seinem Schrank hängen und eine Haushälterin, die den ganzen Tag nur wäscht und bügelt. Donnerstagnacht, wenn er das P1 verließ, schnappte er sich sein Surfbrett, das er an der Tür deponiert hatte. Etwa fünfzig Meter von der Tür entfernt – zu jener Zeit befand sich das P1 noch im Osttrakt des Hauses der Kunst – und direkt neben der Zufahrt zum P-1-Parkplatz fließt nämlich der Eisbach vorbei und genau dort entsteht die bei Surfern so beliebte »stehende Welle«. Arndt ritt also den Eisbach, bis er nach etwa einer Minute vom Brett in den reißenden Bach stürzte. Dann wartete bereits sein Fahrer Eduard mit dem weißen Rolls-Royce Silver Shadow auf dem
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