„Du kommst hier nicht rein!“: Der Mann an der härtesten Tür Deutschlands packt aus (German Edition)
P-1-Parkplatz mit flauschigen Handtüchern und einem trockenen Anzug. Alles natürlich in Weiß.
Wenn Kurt an der Tür war, schob er meist den viereckigen Leonidis aus Mykonos vor; er sollte den Nichtreinkommern die Schreckensnachricht überbringen. Leonidis verbrachte jeden Tag Stunde um Stunde im Kickbox-Center von Thakis am Frankfurter Ring und in Chantals Sonnenstudio gleich gegenüber. Sein größter Traum war es, gemeinsam mit Jean-Claude Van Damme und Chuck Norris im C-Movie Stoßtrupp Dschungelcamp irgendeinen Rebellen aus den Klauen eines fiesen Diktators im polynesischen Urwald zu retten. Als ein Engländer vor der Tür stand, drehte sich Leonidis zu Kurt um: »Was heißt ›Nur für Stammgäste‹ auf Englisch?« Kurt hatte gerade genüsslich in ein unglaublich leckeres Roastbeef-Sandwich gebissen und murmelte mit vollem Mund: »Only for members.« Leonidis wandte sich wieder an den Briten und herrschte ihn an: »Komm im November wieder!« Am nächsten Abend war Jackie immer noch weg und Leonidis nicht mehr da.
Ich hatte mir eine Woche zuvor die Stiefel gekauft und war mir überhaupt nicht sicher, ob ich sie an der Tür anziehen sollte. Aber zum einen war die Stahlkappe an der Schuhspitze Gold wert, wenn wieder mal irgendein Trottel auf meinen großen Zeh steigen würde, und zum anderen waren sie durch die britischen New-Wave-Bands gerade unglaublich in Mode. Wahrscheinlich fragte mich Kurt dann auch nur wegen der Schuhe, ob ich nicht tags darauf als Türsteher einspringen könnte. Oder es war einfach kein anderer da, der die Tür hätte machen können. Ich konnte es mir einfach nicht erklären, warum er mich damals fragte. Mein »Ja« sollte mein ganzes Leben verändern.
Die Zeit von elf bis zwölf mochte ich immer am liebsten. Wir öffneten um halb zwölf und ab elf trudelte die P-1-Crew langsam ein. Der Kellner Bill, den wir Postman nannten, weil er ein altes Postauto fuhr, einen Fiat-Bus 900 T, den er sich in Desenzano am Gardasee gekauft hatte, und die Barkeeper Theo und Jonas. Ersterer war ein verkappter Maler und verehrte den neoexpressionistischen Stil Helmut Middendorfs, letzterer huldigte dem Konformismus als radical chic der neuen Intellektuellen. Die beiden Barmänner waren unzertrennlich. Sie hatten sich einen alten Gutshof irgendwo südlich von München gemietet. Der alte Hof hatte einen wunderbaren Wohntrakt mit einer herrlich kitschigen Wohnstube, die sie zu einem Multiplexkino umgebaut hatten, um hier ihrem innigsten Hobby zu frönen, Sechzigerjahre-Western auf Großleinwand anzuschauen. Ich glaube, Leichen pflastern seinen Weg , den Klassiker von Sam Peckinpah, mit Jean-Louis Trintignant und Klaus Kinski haben sie an die hundertmal gesehen. Die angrenzende Scheune war ausgestattet mit einem DJ-Pult und der alten Musikanlage aus dem P1, die immer noch einen satten Bums hatte. Eines Sonntags luden Jonas und Theo zu Spiegeleiern mit Speck und als wir ankamen, war die Scheune voll mit Leuten wie zur Primetime im P1. Dr. Hotte, Carl Fox, Mr. W., Alberto Cazzo und DJ Wigwam standen allesamt an den Plattentellern und hämmerten ihre Technoscheiben in die bayerische Sonntagsluft wie die Glocken ihr Geläut aus der Putzbrunner Pfarrkirche. Ein paar Technokids, die mitkommen durften, beteten ihre DJ-Göt ter an, als wäre die Scheune des Jonas ihr pleasuredome . Jetzt hatte auch ich verstanden: God is a DJ!
Der Schrägste im Team aber war unser DJ Speedy aus Krumpendorf am Wörthersee. Ein echter Kärntner. Ende der Siebziger lagen auf den Holzstegen zwischen Velden und Klagenfurt Hunderte kunstgebräunte Edelmänner und millionärssuchende Prinzessinnen aus aller Welt Körper an Körper. Und der Geist von Peter Alexander schien allgegenwärtig zu sein, wie er als Kellner Leopold aus dem Weißen Rößl mit einem Tablett in der Hand auf Wasserskiern vorbeirauscht und eine Seefontäne auf Busen und Bäuche der Sonnenanbeter verspritzt. DJ Speedy machte damals schon die passende Musik dazu. Aufgelegt hatte er in der Sommersaison im Promilokal Rainers Bar in Pörtschach. Hier hatte er gelernt, die illustren VIP-Gäste mit locker-flockigen Sommersongs wie »Your Song« von Billy Paul, dieser genialen Soulversion von Elton Johns Schmachtfetzen, oder »I’m your boogie man« von KC & the Sunshine Band anzuturnen, bis das »Schamponieren«, die Champagner-Dusche, eine logische Folge seiner musikalischen Ergüsse war. Irgendwann im Oktober nahm er den Nachtzug von Villach nach München und es verschlug
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