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Du lebst, solange ich es will

Du lebst, solange ich es will

Titel: Du lebst, solange ich es will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Henry
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Uniform und der schwarzen Waffe an seiner Hüfte wird es im Raum sofort totenstill.
    »Das ist Wachtmeister Thayer«, sagt Pete. »Er wird eure Fragen beantworten.«
    Gaby holt tief Luft. Sie meldet sich. »Haben Sie Kayla schon gefunden?«
    »Noch nicht, Gabriella.« Es ist, als würde ein elektrischer Schlag durch den Raum zucken. Jeder begreift: Dieser Polizist kennt ihren Namen. »Wir wissen noch immer nicht, was genau passiert ist. Wir wissen nur, dass jemand Pizza zu einer Adresse bestellt hat, die es nicht gibt. Wir haben Kaylas Auto in der Nähe dieser Straße gefunden, daher gehen wir davon aus, dass sie die Adresse gesucht hat. Sie hatte genügend Benzin. Soweit wir das überprüfen konnten, hatte der Wagen keine technischen Mängel. Vielleicht hat sie jemand herangewunken. Vielleicht hat jemand so getan, als wollte er ihr helfen die Adresse zu finden, und hat sie dann überwältigt. Vielleicht hatte sie keine Lust mehr, nach der Adresse zu suchen, wollte zum Fluss gehen und einen Joint rauchen.« Ein paar Leute kichern. Thayer sieht enttäuscht in die Runde. Als hätten wir allein bei der Vorstellung Haltung annehmen und entsetzte Gesichter machen sollen.
    Und ich? Ich frage mich, wer gequatscht hat. War es Gaby? Ich sehe aus den Augenwinkeln zu ihr. Sie blickt stur nach vorne. Aber ihre Knie zittern noch immer.
    Ich muss an damals denken, als ich mit Kayla im Kühlraum gewesen bin und Gaby draußen auf Kundschaft gewartet hat, die nicht kam. Im Kühlraum hängt nur eine Glühbirne von der Decke, sodass es in den Ecken dunkel ist. Wir standen zwischen Kisten voller Käse und Pfeffersalami und reichten uns den Joint hin und her. Als ich ihn von Kayla entgegennahm, war er feucht vor Speichel. Meine Lippen und sogar meine Zunge berührten etwas, das sie gerade berührt hatte. Ich hätte sie am liebsten stürmisch geküsst. Aber ich tat es nicht. Sie war damals noch mit Brock zusammen, und der ist die totale Sportskanone. Er sieht zwar immer etwas verpennt aus, aber sein Körper besteht nur aus Muskeln. Er wiegt wahrscheinlich zwanzig Kilo mehr als ich. Daher lehnten Kayla und ich einfach nur Schulter an Schulter an der kalten Betonwand.
    Der Polizist starrt mich an. Als wollte er, dass ich zusammenbreche und zugebe, dass es an unserer Schule einen großen Drogenring gibt. Was total bescheuert ist. Derjenige, der Kayla entführt hat, wollte ein Mädchen, keine Drogen. Gut möglich, dass Kayla ein oder zwei Joints in ihrer Handtasche gehabt hat. Vielleicht. Aber mehr sicher nicht. Die Handtasche hat der Mann außerdem sowieso nicht genommen. Soweit ich weiß, verkauft Kayla weder Drogen, noch kauft sie sich selbst welche. Sie bekommt sie einfach von irgendwem. Wie damals von mir zum Beispiel.
    Schließlich beendet Thayer sein langes Schweigen. »Wir müssen alles in Betracht ziehen. In dieser Phase der Ermittlungen können wir es uns nicht erlauben, etwas zu übersehen.« Er ließ den Blick durch den Raum schweifen. Mit seiner kantigen, langen Nase sieht er aus wie ein Falke, der über der Landstraße kreist und nach überfahrenen Tieren Ausschau hält. »Es gibt Aussagen, denen zufolge in der betreffenden Nacht ein weißer Lieferwagen in der Nähe gesichtet wurde, daher überprüfen wir gerade die Besitzer von weißen Lieferwagen.«
    Ein weißer Lieferwagen? Ich wette, jedes zehnte Auto in Portland ist ein weißer Lieferwagen. Na dann mal viel Spaß.
    »Verzeihen Sie«, sagt Amber. Sie arbeitet nur an den Wochenenden. »Ich habe gehört, dass er nach dem Mädchen im Mini Cooper gefragt hat. Bedeutet das nicht, dass er eigentlich Gaby wollte?« Sie sieht über die Schulter nach hinten und flüstert Gaby ein »Entschuldige!« zu, als hätte sie ein Geheimnis verraten. Es ist offensichtlich, dass einige im Raum tatsächlich zum ersten Mal etwas davon hören.
    Gaby wird stocksteif. Zumindest ihr Oberkörper. Sogar ihre Beine stehen kurz still.
    Der Polizist sagt: »Wir lassen zwar keine Möglichkeit außer Acht, sind aber ziemlich fest davon überzeugt, dass der Täter es auf Kayla Cutler abgesehen hat. Vielleicht hat er Gabriellas Mini Cooper erwähnt, um uns zu verwirren, aber entführt hat er dennoch Kayla. Was auch immer genau passiert ist, Kayla ist an den Straßenrand gefahren, hat angehalten, die Handbremse angezogen und ihre Handtasche auf dem Sitz liegen gelassen. So verhält sich eine junge Frau, die sich in Sicherheit wiegt. Wir gehen davon aus, dass sie die Person kannte, zumindest vom Sehen.

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