Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition)
sie an. »Ich habe jede Menge Zeit, und ich stehe auf abgedrehte Geschichten, auf Herausforderungen.«
»Und dass wir uns im Flugzeug begegnen, das hattest du geplant?«
»Eigentlich wollte ich in London was einfädeln, aber deine Kollegin war so nett und gesprächig. Sie hat mir ausführlich von deinem Trip nach Spanien erzählt. Alles andere war einfach …« Er zögerte einen Moment. »Womit ich nicht gerechnet hatte, war, dass du einen solchen Eindruck auf mich machst.« Er fuhr sich durchs Haar. »Und dann hast du mir erzählt, dass Grace ermordet worden war und dass du jetzt mit ihrem Mann verheiratet bist, und da bekam ich ein ungutes Gefühl. Connie hatte nämlich auch gesagt, du seist eine Bedrohung für uns alle. Du darfst nicht vergessen, dass der Tod meiner Mutter die Familie bis ins Mark getroffen hat – vielleicht wollte ich ein Held sein, retten, was noch übrig war.«
Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter, um anzuzeigen, dass ihr bewusst war, welchen Verlust auch er erlitten hatte.
»Connie fing immer wieder davon an, dass es im Haus etwas Verräterisches geben müsse. Auf das, was ich dann dort zu lesen bekam, war ich nicht vorbereitet.« Er schüttelte den Kopf. »Es hat sich gezeigt, dass wir einander ähnlich sind, du und ich. Du hast deine Mutter auch nicht gekannt, genau wie ich. Plötzlich konnte ich lesen, was sie gefühlt hat, wie sie war. Das war …« Er suchte nach dem richtigen Wort. »… bewegend. Ein sehr starker Eindruck. So nahe bin ich ihr nie zuvor gekommen. Nach dem Kampf mit Struan Clarke wollte ich unbedingt die Wahrheit herausfinden. Ich war besessen davon. Ich konnte einfach nicht akzeptieren, dass mein Vater in die Sache verwickelt sein sollte. Er war ein so angesehener Mann. Wenn überhaupt jemanden, hielt ich mich für den schrägen Vogel. Und ich wollte wissen, wie es nun tatsächlich ist. Um nahezu jeden Preis.«
Nicky pflückte einen Fussel von ihrem schwarzen Rock. Licht, das plötzlich in dunkle Ecken fällt, in eine düstere Familiengeschichte zum Beispiel, kann blenden, dachte sie. Adam hatte aus den richtigen Gründen die falschen Dinge getan – das begriff sie nun.
»Connie ist jetzt wach. Sie können zu ihr«, sagte die Schwester.
Beide standen sie auf.
»Ich war darauf gefasst, für meine Taten ins Gefängnis zu kommen, und dann hast du deine Aussage zurückgezogen. Das hat mir Hoffnung gemacht – Hoffnung, dass du mir glaubst und mich nicht einfach für geisteskrank hältst.« Er hielt inne und starrte sie an. »Ich bin sehr froh darüber, dass ich dich retten konnte. Und ich bedaure, dass ich die anderen nicht auch retten konnte.«
Nicky griff ihn bei den Ellbogen, und er verstummte. Sie schaute ihm in die Augen, zog ihn zu sich heran und nahm ihn in die Arme.
»Ich trage dir nichts nach«, flüsterte sie.
So standen sie einen langen Augenblick, wiegten sich leicht hin und her, und als sie einander losließen, sah sie, dass er sich eine Träne wegwischte.
»Gehen wir rein?«, fragte er.
Sie nickte, und er hielt ihr die Tür zu Connies Zimmer auf.
Halb saß, halb lag Connie, die Augen hatte sie zu. In dem riesigen Bett sah sie winzig aus. Ihre mageren Finger krallten sich in das Laken. Sie hatten ihr einen Luftröhrenschnitt gesetzt. Von ihrem Hals weg wand sich ein Schlauch zu einer Maschine neben ihrem Bett. In dem stillen Raum war das rasselnde Atmen überdeutlich zu hören. In einem Handrücken steckte eine Kanüle, die Infusion lief aus einer hoch oben am Kopfende des Bettes befestigten Flasche durch einen transparenten Schlauch.
»Seit dem letzten Schlaganfall ist ihre Atmung beeinträchtigt«, sagte Adam, ging zur anderen Seite des Bettes und zog sich einen Stuhl heran.
Die Schwester brachte Nicky einen zweiten Stuhl und rückte ihn neben das Kopfende, doch Nicky blieb stehen. Bei dem, was sie zu besprechen hatten, wollte sie nicht sitzen.
»Das Sprechen fällt ihr schwer. Sie müssen nahe herangehen«, sagte die Schwester. Beim Klang ihrer Stimme schlug Connie die Augen auf. »Wenn etwas ist, klingeln Sie einfach.« Sie zeigte auf die Patientenklingel, die an einer Schnur vom Bettgestell baumelte, und ging.
Eine Weile starrten die beiden Frauen einander schweigend an.
»Warum wollten Sie mich sehen?«
»Ich möchte mit Ihnen sprechen.« Ihre Stimme war rasselnd, kehlig.
Nicky schnaubte. »Ich kann Ihnen keine Absolution erteilen.«
Connie wollte den Kopf heben, die Sehnen an ihrem Hals traten vor Anstrengung hervor, doch
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