Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition)
war eifersüchtig. Ohne etwas dazuzutun, hatte sie alles, was ich nie gehabt hatte. Wie gern wäre ich so gewesen wie sie – so begehrt. Ich war vierzig. Meine Schönheit war ebenso dahin wie meine Chancen …«
»Das stimmt nicht«, sagte Adam.
Doch Connie fuhr unbeirrt fort, auch wenn es ihr schwerfiel. »Ich war verunsichert. Ich wurde alt und hatte einen Job, bei dem ich ständig mit ansehen musste, wie Leute zusammenkamen und sich amüsierten. Sie meinen, Sie wüssten, wie es ist, allein zu sein, Nicky? Probieren Sie’s mal jahrzehntelang, dann werden Sie sehen, wie es wirklich ist. Wie es einen runterzieht. Und Cathy hat mir das auch noch ständig unter die Nase gerieben. Das hat mich rasend gemacht. Eifersucht und Hass können einen auffressen. Ich konnte nicht anders, ich musste sie bestrafen …« Sie verstummte völlig erschöpft.
Nicky fiel wieder ein, wie Cathy damals in ihrem Tagebuch gestichelt hatte
… was ich habe und du nie haben wirst.
Connie fing wieder an zu stöhnen. Die Wut war verflogen, jetzt stand ihr wieder Angst ins Gesicht geschrieben. Sie flüsterte nur noch.
»Sie wollten nach Frankreich fliegen. Da habe ich die Treibstoffleitung beschädigt. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass Greg überlebt und sie stirbt. Damit habe ich das Leben meines geliebten Bruders zerstört. Ich konnte es ihm nicht sagen. Meine Strafe war es, dieses Geheimnis mein Leben lang mit mir herumzutragen.« Wieder rannen ihr Tränen über die Wangen. »Seine Rachsucht hat ihm einen gewissen Frieden gebracht – und ich habe meine Schuld abgetragen, indem ich ihm geholfen und damit seinen Schmerz gelindert habe.«
Ungläubig starrte Nicky auf das jämmerliche Bündel Haut und Knochen in dem Krankenhausbett.
»Ihr Bruder hat zwanzig Jahre damit zugebracht, sich am Falschen zu rächen?«
Connie atmete wieder flacher. Sie griff nach dem Schlauch und zog ihn zu sich heran, als könne sie so mehr Luft bekommen.
»Und Sie haben ihn in dem Glauben gelassen. Um Ihre eigene Haut zu retten, haben Sie die Lüge weitergesponnen?«
Jetzt reckte Connie den Hals, als versuche sie wie eine Ertrinkende, den Kopf über Wasser zu halten. Ihre Augen waren schreckgeweitet.
Adam sprang so heftig auf, dass sein Stuhl kippte und scheppernd zu Boden fiel.
»Deinetwegen habe ich beide Eltern verloren!«
Connie wollte etwas sagen. Sie zerrte an dem Schlauch, ihre dünnen Beine strampelten unter der Bettdecke. Die Adern an ihrem Hals standen hervor, so angestrengt rang sie um Sauerstoff.
Sie mussten ein entsetzliches Bild abgeben, wie sie beide dastanden und mit offenem Mund der Gestalt vor ihnen bei ihrem Überlebenskampf zusahen. Mit riesigen ängstlichen Augen starrte Connie zu Nicky herauf. Sie bewegte die spröden Lippen, bekam jedoch kein verständliches Wort zustande.
Nicky erwiderte den Blick der von Angst und Reue gebeutelten Frau. Connies längst vergangene Leidenschaften hatten eine Kette von Ereignissen entfesselt, die Nicky letztlich die Hölle auf Erden bescherten.
»Sie bitten mich um Vergebung, aber ich bin dafür nicht die Richtige. Die anderen müssten Sie um Vergebung bitten, die, deren Tod Sie zu verantworten haben.«
Das Strampeln und Zappeln unter der Bettdecke nahm zu. Jede einzelne Sehne in dem alten Körper spannte sich an in dem Versuch, noch ein paar Sekunden länger am Leben festzuhalten.
»Gott allein kann über Sie richten, Connie. Viel Glück.« Damit wandte Nicky sich ab und ging zur Tür.
Als Connies Herz stehen blieb, brach Adam in Tränen aus. Er packte den Klingelknopf, und gerade als die Zimmertür leise hinter ihr ins Schloss fiel, hörte Nicky das Piepen. Sie ging in Richtung des Ausgangs und sah noch, wie eine ganze Schar von Schwestern und Ärzten losrannte, um Connie ins Leben zurückzuholen.
56
N icky ging vor dem Grab in die Hocke und richtete die Blumen in der Vase. Schwach schien die Sonne durch das kahle Geäst der riesigen Bäume. Der Wind wirbelte krumpelige Blätter umher. Hier herrschte ein solcher Friede. Alles in allem ein schöner Ort für die letzte Station, dachte sie. Sie gab sich Mühe, das Gute zu sehen, aber es funktionierte nicht wirklich. Es war alles viel zu früh passiert. Sie beugte sich vor und fegte den Staub von dem eingemeißelten »F«. »Für immer in unseren Herzen«, stand da. Schließlich richtete sie sich wieder auf, aber sie weinte nicht. Diesmal nicht.
»Rache hat etwas Reinigendes«, hatte Lawrence gesagt, bevor er sich aus dem Flugzeug
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