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Du sollst nicht schlafen: Thriller (German Edition)

Du sollst nicht schlafen: Thriller (German Edition)

Titel: Du sollst nicht schlafen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Parsons
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Tagschicht eintraf, und zu hoffen, dass bis dahin kein Flugzeug abstürzte. Nur noch ein paar Stunden, und sie konnte sich zu Hause bei zugezogenen Vorhängen unter ihre Bettdecke kuscheln. In die herrliche Horizontale gehen. Sie stützte ihr Kinn in die Hände und schloss die Augen. Ärgerlich, dass sie nicht herausgefunden hatte, was diesen Polizisten solche Angst eingejagt hatte. Doch sie würde sich schon bis zur Wahrheit vorarbeiten, so wie bislang noch jedes Mal. Ihr Kontaktmann bei der Polizei kam morgen aus dem Urlaub zurück. Sie würde versuchen, etwas aus ihm herauszubekommen. Vielleicht würde er ihr zumindest inoffiziell etwas sagen. Vielleicht …
    Der Gedanke verlor sich, während sich ihr Geist aus der Alltagsvertäuung löste. Sie trieb auf einer warmen, dunklen Flut dahin und ließ alles hinter sich: die Leiche, die Redaktion, die Welt. Dann rutschte ihr das Kinn aus der Hand, und sie fuhr hoch. Sie schüttelte sich, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Kaffee!, dachte sie und schob ihren Stuhl zurück. Wenn ich jetzt nicht gleich einen Kaffee bekomme, schlafe ich auf meiner Tastatur ein.
    Die Kaffeemaschine stand in der Küche, die gleich um die Ecke des L-förmigen Redaktionsraums lag. Alles, was nicht zur Lokalredaktion gehörte, lag im Dunkeln. Die Oberbeleuchtung war ausgeschaltet, und die Schreibtische waren nur noch graue Schemen, die sich bis ganz nach hinten zum Fenster reihten. Der Ausblick auf Camden Lock war verschwunden. Finsternis hatte die Fensterscheibe in einen Spiegel verwandelt, und Cynthia sah sich selbst verschwommen darin. Jemand aus der Sportredaktion hatte die Anweisung missachtet, Strom zu sparen und sämtliche Computerauszuschalten. Ein Bildschirmschoner mit Goldfischglasmotiv ließ die Dunkelheit um ein paar Zentimeter zurückweichen und tauchte Tacker und Papierstapel in blaues Licht. Die Stille rauschte in ihren Ohren wie Wasser.
    Cynthia ging an Schreibtischen vorbei, die übersät waren mit Alltagsrelikten: eine schmutzige Kaffeetasse, Unterlagen, das gerahmte Lächeln eines Babys. In wenigen Stunden würden vertraute Gesichter in diesen Unterlagen lesen und aus diesen Tassen trinken und dabei wie jeden Morgen über die Tube , das Wetter und die Artikel schimpfen, zu denen man sie verdonnert hatte. Aber in der gefrorenen Stille von vier Uhr morgens wirkten sie wie Überbleibsel aus einer anderen Welt.
    Die Küche des Sentinel war eine Art begehbarer Schrank, der eine Spüle, einen kleinen Kühlschrank und eine Filterkaffeemaschine beherbergte. Das Gebräu, das in der zur Hälfte gefüllten Kanne warm gehalten wurde, war bereits mehrere Stunden alt, aber sie schenkte sich trotzdem eine Tasse davon ein und lehnte sich gegen den Kühlschrank. Übelkeit stieg in ihr auf. Sie schloss die Augen, und der Raum schien zu schaukeln wie eine riesige Wiege. Wenn sie sich doch nur kurz hinlegen könnte, nur fünf Minuten auf das Sofa in der Lobby …
    »Hallo.«
    Cynthia zuckte zusammen, der Kaffee schwappte über und ein paar Tropfen landeten auf ihrem weißen Blusenärmel. »Marcus, verdammt, schleich dich doch nicht so an!«
    Wortlos griff er an ihr vorbei nach einem der umgedrehten Gläser auf dem Kühlschrank. Warum konnte sie sich diese bescheuerte Schicht nicht mit jemand anderem teilen? Mit irgendwem, mit dem man jammern und lästern und sich so die restliche Nacht vertreiben konnte. Aber nein, die ganze Woche hatte sie Marcus am Hals, den schweigsamen, blassbewimpertenMarcus. Lachen strengstens verboten. Sie versuchte, nicht auf die dunklen Schatten unter seinen Augen zu starren. Anfangs hatte sie es für ein Zeichen von Erschöpfung gehalten. Aber in den fünf Monaten, die Marcus mittlerweile beim Sentinel arbeitete, hatte sie ihn noch nie ohne diese Augenringe gesehen, wahrscheinlich war es also Veranlagung.
    Sie suchte krampfhaft nach einem Gesprächsthema, während er sich Wasser einschenkte. »Und, was hältst du vom neuen Schichtplan?«, fragte sie. »Ich muss gestehen, dass ich mich heute Nacht wirklich schwertue. Außerdem überzeugen mich die Argumente für eine Nachtausgabe nicht besonders. Meiner Meinung nach sind drei Ausgaben pro Tag übertrieben. Wollen unsere Leser wirklich unbedingt wissen, was um fünf Uhr morgens passiert?«
    Marcus zuckte die Achseln. Eine lange Pause entstand. Cynthia zog ein Papierhandtuch aus dem Spender, ließ Wasser darüber laufen und betupfte damit den Kaffeefleck auf ihrem Ärmel. Doch es war sinnlos, die Bluse war ruiniert.

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