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Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Titel: Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Todenhöfer
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Du hast uns bestimmt für verrückt gehalten, dass wir einfach so nach Homs gefahren sind.
    Sinan: Nein, ich habe Respekt davor. Das ist ja gefährlich. Und ihr versucht ja herauszubekommen, was die Wahrheit ist.
    Frédéric: Wir haben auf beiden Seiten sympathische Leute getroffen.
    Sinan: Also, dann müsst ihr wiederkommen.
    Frédéric: Das ist schwierig. Es ist schwer, jetzt nach Syrien zu kommen. Was treibst du so? Bist du in die Kämpfe verwickelt?
    Sinan: Ja, aber vor Kämpfen habe ich keine Angst. Wie ist die Lage in Deutschland? Wie hier in Homs?
    Frédéric: In Deutschland?
    Sinan: Ja, gibt es auch bei euch demnächst eine Revolution?
    Frédéric: Nein, nicht in Deutschland.
    Sinan: Wie geht es deinem Vater? Bestell ihm unsere Grüße!
    Frédéric: Mach ich.
    Sinan: Wenn ich dann noch lebe, würde ich gerne einmal Deutschland besuchen. Und ein Spiel von Bayern München sehen.
    Hier bricht die Internetverbindung kurz ab. Nach einer Weile funktioniert sie wieder.
    Sinan: Das ist eine richtige Scheißverbindung. Genau wie unser Präsident. Wenn wir ihn auswechseln, wird auch das Netz besser.
    Frédéric: Bist du sicher?
    Sinan: Klar, den Präsidenten wechseln wir auf jeden Fall aus.
    Frédéric: Hm.
    Sinan: Hast du Kontakte zur Exil-Opposition? Kannst du die fragen, ob sie uns nicht endlich helfen können?
    Frédéric: Ich habe so meine Probleme mit der Exil-Opposition. Ich glaube, manchen geht es mehr um ihre eigenen Interessen und weniger um euch.
    Sinan: Genauso ist es. Die wollen erst kommen, wenn alles weitgehend erledigt ist. Und gut vorbereitet für sie.
    Frédéric: Sie sitzen auf ihrem Hintern und sagen euch, ihr sollt kämpfen und sterben.
    Sinan: Frédéric, wenn du wüsstest, wie wahr das ist. Jedes Wort. Ich sage dir das aus vollem Herzen. Wir sind denen egal. Ob wir leben oder sterben. Das sind Arschlöcher. Sie kümmern sich nur um die Macht. Für sich selbst.
    Frédéric: Es sind schon zu viele Unschuldige gestorben.
    Sinan: Sie reden und reden, dass sie uns unterstützen. Mit Geld und Waffen. Aber die Leute hier bekommen nichts von ihnen. Sie unterstützen uns nur in ihren Fernsehreden. Die Leute hier trauen ihnen nicht mehr.
    Frédéric: Aber woher hast du deine Kalaschnikow?
    Sinan: Auf dem Schwarzmarkt gibt es alles. Amerikanische Waffen, französische, russische. Alles.
    Frédéric: Was machst du den ganzen Tag? Kämpfen, arbeiten?
    Sinan: Kämpfen und Spezialaufträge. Wir bauen so etwas wie Raketen. Kurzstreckenraketen. Die fliegen sechs Kilometer weit. Das ist nicht schlecht für den Anfang. Aber wir wollen noch bessere Raketen bauen. Von außen kommt ja doch nichts. Wir können alle Waffen nachbauen. Wir werden alles tun, um diesen Krieg zu gewinnen.
    Frédéric: Kämpfen deine Freunde auch?
    Sinan: Um ehrlich zu sein, nicht alle. Einige gehen ins Ausland, einige machen nichts, einige kämpfen.
    Frédéric: Warum kämpfst du?
    Sinan: Wegen des täglichen Tötens. Jeden Tag werden Frauen und Kinder getötet. Das Regime setzt alle Waffen ein, die es hat. Da kann ich nicht zuschauen. Sie kontrollieren die meisten Krankenhäuser und holen die Verwundeten raus. Sogar die Toten schleppen sie aus den Krankenhäusern. Dann lassen sie die Leichen filmen und sagen: »Schaut, was die Terroristen tun. Wir müssen Syrien von diesen Terroristen säubern.«
    Frédéric: Aber ist nicht auch Al-Qaida in Syrien tätig?
    Sinan: Ja. Aber nicht bei uns. Nicht in Homs.
    Hier wird das Skype-Gespräch zwischen München und Homs endgültig unterbrochen. Frédéric hat Sinan trotz zahlloser Versuche nie mehr erreicht. Wir wissen nicht, ob er noch lebt. Oder gefangen genommen wurde.
    Wer hat recht, Sinan der Rebell oder Baschar der Präsident? Könnte es sein, dass beide recht haben? Oder beide unrecht? Es gibt nur eine Möglichkeit, dieses Dilemma zu lösen – Verhandlungen. Die beiden könnten sich blendend verstehen. Wenn sie oder ihre Vertreter miteinander sprächen. Aber das tun sie nicht. Stattdessen versinken sie immer tiefer in der Tragödie eines immer unsinnigeren Krieges. Den beide Seiten verlieren werden.
    Der syrische Knoten
    Für jeden, auch für mich, ist schwer zu durchschauen, was in Syrien wirklich gespielt wird. Die syrische Tragödie spielt sich auf mehreren Ebenen ab. Sie haben sich inzwischen zu einem fast unentwirrbaren Knoten verwoben.
    Auf der ersten Ebene tobt der Stellvertreterkrieg der USA , Saudi-Arabiens und Katars gegen die aus ihrer Sicht zu starke Stellung Irans im Mittleren

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