Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)
ich bei diesen Worten mehrfach auf die Couchlehne gehauen hätte. Vielleicht ist das unhöflich. Aber ich sehe die Katastrophe fast physisch auf Syrien zukommen.
Assad entgegnet, ich solle ihn nicht an seinen Worten, sondern an seinen Taten messen. In drei Monaten werde es eine neue Verfassung geben, die das Monopol der Baath-Partei aufhebe. Das sei viel schwerer, als ich mir das vorstelle. Drei Monate danach gebe es Parlamentswahlen.
Leider werde das den Westen überhaupt nicht interessieren. Der Westen wolle im Mittleren Osten doch gar keine Demokratie. Er fordere ja auch von Saudi-Arabien und Katar nie Wahlen. Selbst wenn er, Assad, eine »Westminster-Demokratie« einführe, werde der Westen weiter gegen ihn protestieren.
Außerdem müsse er die bewaffneten Aufständischen, die seine Soldaten, seine Polizisten und zunehmend auch Zivilisten ermordeten, energisch bekämpfen. Auch Merkel und Obama würden nie zulassen, dass bewaffnete Gruppen ihre jungen Polizisten und Soldaten töteten. In allen Ländern der Welt liege das Gewaltmonopol beim Staat. Das sei eine der wichtigsten zivilisatorischen Errungenschaften der letzten Jahrhunderte. Auch im Westen. Er könne, dürfe und werde gewaltsame Aktionen der Rebellen nicht hinnehmen.
Auch Lincoln habe nicht nur die Sklaven befreit, sondern in einem jahrelangen Bürgerkrieg mit äußerster Härte die Einheit seines Landes verteidigt. Gegen Teile seines eigenen Volkes. Die Einheit des Landes sei ihm stets wichtiger gewesen als die Beseitigung der Sklaverei. Das sei unstreitig.
Ich frage ihn, ob er damit gerechnet habe, dass die Arabische Liga Syrien aus ihren Reihen ausschließen würde. Er erwidert, er habe dies zwar erwartet, aber nicht schon jetzt. Noch mehr erstaune ihn allerdings, dass man im Westen Diktaturen wie Saudi-Arabien und Katar glaube, sie kämpften in Syrien für Demokratie. Dass darüber nicht homerisches Gelächter ausbreche, sei erstaunlich. Wenn Demokratie für den König von Saudi-Arabien und den Emir von Katar so wichtig sei, würden sie diese doch auch im eigenen Land einführen.
Der Konflikt mit dem Westen sei im Grunde bedauernswert. Als säkulares Land, das alle Religionen und ethnischen Gruppen respektiere, habe Syrien mit dem Westen 80 Prozent Gemeinsamkeiten. Leider konzentriere sich dieser zurzeit auf die 20 Prozent, bei denen es Meinungsverschiedenheiten gebe.
Als syrischer Präsident könne er sich nicht danach richten, was andere Länder von ihm dächten. Assad wörtlich: »Erst war ich vielen Arabern nicht syrisch genug. Ich war der Engländer, weil ich dort einige Zeit gelebt habe. Außerdem war ihnen meine Sonnenbrille zu westlich. Als ich dann gegen den Irakkrieg war, wurde ich vom Westen zum Diktatoren- und Terroristenfreund umbenannt. 2006 beschloss man im Westen, dass ich den libanesischen Politiker Hariri ermordet hätte. Diesen Vorwurf hat man inzwischen fallen lassen müssen. An diesem Gerede soll ich mich orientieren?«
Ich frage Assad, ob Julia Bilder machen dürfe. Viel könne sie dabei nicht falsch machen. Die meisten Fotos, die von ihm im Land hingen, seien ziemlich grässlich. Assad lacht. Die habe nicht er aufhängen lassen. Das seien meist Schnappschüsse, die die Leute vervielfältigten und dann als Poster verkauften.
Wir hatten auch Scheherazad vor dem Gespräch gefragt, ob Julia fotografieren und filmen dürfe. Fotografieren sei unproblematisch, hatte sie geantwortet. Filmaufnahmen aber habe Assad weniger gerne. Doch Julia solle einfach »machen«. Und Julia macht. Sie fotografiert und filmt knapp drei Minuten lang.
Während sie mit ihrer großen Profikamera ein Bild nach dem anderen schießt, frage ich Assad, warum er das alles nur mir und nicht dem deutschen Fernsehpublikum erkläre. Er lacht. »Würden Sie das Interview führen?«, fragt er. Ich erwidere: »Ich bin kein Journalist. Ich habe noch nie ein TV -Interview geführt. Ich weiß gar nicht, wie das geht.«
»Wenn Sie das Interview machen, bin ich einverstanden«, sagt Assad schmunzelnd.
Vor ihm liegt eine Liste mit Interviewwünschen großer TV -Sender, Zeitungen und Zeitschriften aus aller Welt. Auch deutsche Medien sind dabei. Einige von ihnen werden später sagen, es sei eine Schande, einem solchen Mann eine Bühne zu bieten.
Ich weiß nicht recht, wie ich aus der Sache herauskommen soll. »Ich würde harte, schwierige Fragen stellen«, rudere ich zurück. Doch Assad findet die Idee mit dem Interview jetzt, wo ich mich wehre, noch besser.
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