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Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Titel: Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Todenhöfer
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»Angst habe ich nur vor einfachen Fragen«, erwidert er. »Halten Sie zu Scheherazad Kontakt! Sie vertritt mich in diesen Dingen. Vielleicht ist das Interview eine gute Idee.«
    Eigentlich denke ich das auch. Vor allem aus politischen, aber auch aus persönlichen Gründen. Das wäre endlich wieder eine echte Herausforderung. Doch musste es gleich der neben Ahmadinedschad meistgehasste Mann des Westens sein?
    Ursprünglich sollte unser Gespräch 45 Minuten dauern. Doch nun sind zwei Stunden daraus geworden. Auf dem Tisch liegt mein Buch Warum tötest du , Zaid? Auf Arabisch. Scheherazad muss es besorgt haben. Assad nimmt es in die Hand. »Das ist eine furchtbare Frage. Warum töten wir?« Für einen Augenblick ist sein Gesicht bitter. Es zeigt jene Hälfte des Hamlet Assad, die jeden Tag fragt: »Was soll ich hier? Was mache ich in diesem verdammten Krieg?«
    Assad bringt uns zur Tür. Er fragt mich, welche Städte ich in Syrien besucht hätte. »Daraa, Homs, Hama«, antworte ich. »Homs«, schluckt er. »Sie waren in Homs?« Doch dann lacht er wieder wie ein großer Schuljunge. »Passen Sie auf sich auf! Und vielleicht bis bald!«
    Kurz danach sitzen wir wieder in unserem Auto. »Na«, strahlt Scheherazad, »wie fandet ihr meinen Präsidenten?« Julia streicht sich über die Augen. »War er das wirklich? Wie kann von einem Menschen ein derart falsches Bild existieren?« Ich antworte: »Vielleicht ist er einfach nur ein guter Schauspieler.«
    Scheherazad fährt wütend dazwischen: »Jetzt sind Sie unfair. Der Präsident ist immer so. Haben Sie gesehen, wie freundlich er seine Mitarbeiter behandelt? Daran kann man Menschen am besten erkennen. Er geht regelmäßig in Krankenhäuser. Er spricht mit den Opferfamilien beider Seiten. Er fährt sein Auto immer selber. Es hat nicht einmal kugelsichere Scheiben. Selbst Staatsgäste fährt er selbst. Nur einer hatte Angst, von ihm gefahren zu werden – Sarkozy.« Auf ihren Präsidenten lässt sie nichts kommen.
    Assads Feinde, Assads Freunde
    Den Abend verbringen wir in der Altstadt von Damaskus. Mit Rami, einem beleibten 30-jährigen Revolutionär. 24-mal saß er wegen Rauschgiftvergehen im Gefängnis. Angeblich immer unschuldig. Er rauche nur Haschisch. Aber auch das ist strafbar. Wir haben Rami, dem auch noch drei Vorderzähne fehlen, vor einem Geschäft für arabische Damenunterwäsche kennengelernt.
    Da er panische Angst vor Geheimdiensten hat, ziehen wir durch schmale, dunkle Gassen. Er erzählt von Deserteuren, die angeblich in den Wäldern rund um die Stadt übernachten und dort auf ihre Stunde warten. Von der Brutalität der Nachrichtendienste, die ihre Gegner gnadenlos folterten. Und ihnen anschließend den Kopf abschnitten.
    Im schummrigen Licht einer engen Gasse sehen wir an einer Hauswand finstere Gestalten in eleganten Anzügen. »Geheimdienstler«, raunt Rami. Julia hat zunehmend den Eindruck, dass er uns Märchen erzählt. Als er auch noch anfängt, von seinen positiven Erfahrungen mit extravaganter arabischer Damenunterwäsche zu schwärmen, hört sie nicht mehr zu. Aber ist es nicht bemerkenswert, dass mitten in der Altstadt ein armer Teufel wie Rami so unverhohlen gegen das Regime lästert? Vor einem Jahr hätte er wie alle anderen das Hohelied auf Baschar Al-Assad gesungen.
    In einem eleganten Restaurant sind wir anschließend mit Kassim verabredet, einem jungen, sehr kultivierten Anhänger der Rebellen. Er ist im Kunsthandel tätig. Er unterstreicht dies mit einem braunen Samtjackett und einem Künstlerschal, den er lässig über die Schulter geworfen hat. Natürlich besitzt er ein iPhone. Demonstrativ legt er es auf den Tisch. Assad hasst er. Er sei für den Tod Tausender Menschen verantwortlich. Nie würden die Syrer ihm das verzeihen.
    Assad überschätze seine Unterstützung im Volk. Auch in Rumänien hätten bis zuletzt Hunderttausende Präsident Cea u  escu umjubelt. Dann hätten sie ihn umgebracht. Kein Hahn krähe mehr nach ihm. Schon jetzt seien mindestens 70 Prozent der Bevölkerung gegen Assad.
    Kassims attraktive junge Freundin kommt hinzu. Sie hat das gewagteste Dekolleté, das ich je in einem arabischen Land gesehen habe. Ihrem Freund zuliebe gibt sie sich große Mühe, ein systemkritisches Gesicht aufzusetzen. Kassim schwärmt von der Französischen Revolution und der Guillotine. Ratten dürfe man töten.
    Ich frage den revolutionären Dandy, ob er einen Sieg Assads bei freien Wahlen akzeptieren würde. Die Frage bringt ihn in große

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